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Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht

Titel: Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willibald Alexis
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was Sie bereuen müssten!« Sie wollte die Lippen öffnen, als Adelheids unterdrückter, unartikulirter Schrei die Aufmerksamkeit der Hülfeleistenden auf den Gegenstand der Theilnahme wieder zog.
    »Es muß doch etwas mehr als die Hitze im Hause sein,« bemerkte die Fürstin mit einem eigenen Ton.
    Bovillard fragte: »War sie vielleicht zum ersten Mal im Theater?« Er setzte hinzu, die Blicke der jungen Offiziere, die eben nicht mit Schonung sie fixirten, möchten sie afficirt haben.
    »Ein Flacon!« nief die Geheimräthin.
    Die Fürstin neben Adelheid knieend, hielt es ihr bereits an das Gesicht.
    Die Lupinus wandte sich zum Legationsrath: »Mein Gott, was zaudern Sie! Eines Ihrer Hausmittel, die Sie stets bei sich führen.«
    »Meine einfachen Mittel wende ich nur an, wo mir der eigentliche Grund der Krankheit nicht unbekannt blieb.«
    Die Geheimräthin hatte sich wieder gefunden: »Der eigentliche Grund der Krankheit kann Denen nicht unbekannt sein, die von dem überschwänglichen Gemüth des jungen Mädchens unterrichtet sind. Patriotin bis in die äußersten Fibern ihrer Seele hat sie seit vierzehn Tagen an einer Fahne für unsere Garnison gestickt, und mich und sich um ihre Nächte betrogen. Erst heute Morgen entdeckte ich es, und es hatte leider eine lebhafte Scene zur Folge, die ich jetzt bereue, und zu der mich doch die Pflicht für die Gesundheit des Mädchens trieb. – Man hat etwas mehr zu sorgen für fremde als für eigne Kinder,« setzte sie mit einem feierlichen Tone, der Resignation oder des gekränkten Bewusstseins, hinzu.
    »Um dem Gerede der Leute zu entgehen,« sagte die Fürstin.
    »Aber auf Dank rechne Niemand, der Pflichten übernimmt, die über seine Pflicht gehen,« bemerkte der Legationsrath.
    »Aber wir Alle sind Ihnen dankbar,« fiel die Fürstin besänftigend ein, »für die geschickte Weise, wie Sie das Kind, und noch zu rechter Zeit, aus der Loge führten. Ich bewunderte Madame Lupinus wirklich, und, Gott sei gelobt, es hat gar kein Aufsehen erregt. – Sie athmet.«
    »Aber noch geschlossene Augen.«
    »Mein Hotel ist so nahe, liebe Geheimräthin, ich würde mir ein Vergnügen machen, selbst sie dahin zu schaffen. Eine Portchaise steht im Flur. Mein Kammerdiener fliegt dahin – wenn –«
    »Wenn Madame Lupinus,« fiel der Legationsrath rasch ein, »nicht die Hoffnung hegte, daß die junge Dame sich noch erholte, um an ihrer Seite zur Vorstellung zurückkehren zu können. Und die Hoffnung scheint mir begründet.«
    Der Legationsrath hatte rasch aus seinem Etui ein Fläschchen geholt, welches er der Fürstin überreichte: »Drei Tropfen in den Händen gerieben, und damit in Intervallen über die Schläfe gefahren. Nur der Luftdruck, nicht Berührung!«
    Er war ehrerbietig zurückgetreten, ohne auf die Frage: »Warum nicht Sie selbst?« zu antworten. Die Ouverture begann schon.
    »Ich begreife Sie nicht,« sagte leise die Lupinus, an deren Seite er sich gestellt, während der Geheimrath Bovillard der Fürstin beistand.
    »Noch weniger ich den Zusammenhang hier,« entgegnete er im selben Tone. »Was ging hier vor?«
    »Sie sah eben ihren Liebhaber. Sie hatte ihn vor dem Theater erwartet, so glaube ich wenigstens aus ihren Reden in der Extase schließen zu dürfen. Sie hatte ihm geschrieben, ihn zu sich geladen. Und statt zu kommen –«
    »Sah sie ihn an der Seite eines hübschen Mädchens, dem er viel Aufmerksamkeit erwies.«
    »Ist das nicht Grund genug, Herr Legationsrath?«
    Wandel zuckte die Achseln: »Unter andern Verhältnissen. Erlauben Sie mir indeß zu glauben, daß es hier kein Grund ist. Doch bin ich beruhigt, und verzeihen Sie, wenn ich es vorhin nicht schien. Das erste Gesetz der Wissenden, meine Freundin, ist, sich zu hüten vor dem Unnöthigen, wo das Nothwendige schon unsere ganze Geisteskraft beansprucht. Wir dürfen nicht spielen mit den Dämonen, wie diese hier thun; sie vertragen es nicht. Sie gehorchen uns nur, wenn wir das eiserne Auge nie von ihnen lassen und mit einem Stahlarm sie pressen – auf das Nothwendige hin. Von Phantasten und Jongleurs reißen sie sich los, und schlagen sie mit den zerrissenen Fesseln nieder.«
    Im Theater wurde es laut. Ein Theil des Publikums schien durch Summen und Singen die kriegerischen Töne der Ouverture zu accompagniren. »Mein Gott, – wenn sie doch jetzt – wir versäumen etwas!« rief die Lupinus, es war aber nicht das Verlangen, nach dem Theater zurückzukehren. »Wie sanft sie athmet!« sagte die Fürstin.

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