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Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht

Titel: Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willibald Alexis
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Ort, nicht die Zeit, nicht die Menschen. In den geschlossenen Theaterräumen hallte der Ruf: »Krieg! Krieg! Zu den Waffen!« trefflich, aber wären sie hinaus gestürzt, was dann? Wie klein wäre die Zahl gewesen, wie bald zerstreut auf den breiten Straßen! Hätte Jeder sich gern in der Gesellschaft der Andern erblickt, Derer, die vielleicht ihnen da zuströmten? Und was sollten sie thun? Vor das Palais des Königs rücken, dort Fackeln schwingen, wild schreien: Krieg! Krieg! Was würde dieser König, der, dem Ungewöhnlichen, Exaltirten abhold, seine Person scheu von aller Repräsentation zurückzog, zu einem brüllenden Haufen sagen, der ihn zu einer Handlung zwingen wollte, die er vielleicht schon beschlossen hatte? Würde es nicht gerade das Mittel gewesen sein, das Wort, das sich von den Lippen lösen wollte, in die tiefste Brust zurück zu schrecken? Er musste zürnen, und erzürnen wollte Niemand den geliebten Monarchen.
    Aber etwas musste geschehen, das fühlte Jeder; so konnte man nicht auseinander gehen. Die Logenschließer hatten unter den Enveloppen der Damen Blumenkränze gesehen, oder waren es schon Lorbeerkränze? Auf irgend ein Haupt sie zu drücken, dazu waren sie doch mitgenommen. Aber wo war das Haupt, wo der Eine, der eine solche Masse wecken, begeistern, führen konnte? – Wohl gab es Einen, einen noch jugendlichen, genialen Prinzen vom kühnsten Geist und bewährten Muthe. Sein Schwert hatte Franzosenblut getrunken, ritterlich hatte er sich mehr als einmal in die Schaaren der Feinde geworfen und – dem unüberwundenen Helden hätte man alle seine Schwächen vergeben, er wäre der Mann des Volkes gewesen, und wäre er vorgesprungen, da auf eine Erhöhung, und hätte den Degen blitzen lassen im Scheine der Theaterflammen, nur wenige kräftige Worte, – möglich war es, daß es ein Ernst ward, dessen Folgen Niemand berechnet. Aber diesen Einen fesselten Rücksichten, er knirschte im verhaltenen Grimme in seinen vier Wänden; er zückte den Pallasch, um ihn wieder in die Scheide zu stoßen, er sah nach den Wolken, und lauschte auf den Galopp eines Pferdes, ob es die Ordonnanz war, die das heißersehnte Wort brachte. Er hatte sein Wort geben müssen, heute nicht im Theater zu erscheinen. »Scharf geschliffen und von vorn herein die Spitze abgebrochen, damit der Stahl nicht verwundet.« – Andere gab es wohl, die von demselben Feuer glühten, Namen von ehernem Klang und altem Ruhm; sollte man aber die Kränze auf eisgraues Haar drücken? Warum nicht lieber auf Friedrichs Büste?
    Aber etwas musste geschehen; die Gährung war zu groß, um sich zu verlaufen. »Es lebe der König!« rief eine Stimme. Tausend riefen es nach. Das Orchester intonirte den neuen Volksgesang, der so rasch Allgemeingut geworden, und das feierliche: »Heil Dir im Siegerkranz, Retter des Vaterlands!« hallte wie besänftigend durch den hohen Raum des Schauspielhauses.
    Eine der kleineren Logenthüren klappte zu und ein Mann, vor dem sich der Schließer respektvoll neigte, eilte im Surtout die Treppe hinunter. »Das alte Lied!« sagte sein jüngerer Begleiter; es war Herr von Fuchsius; »es klang hier mir wie eine Ironie.« »Alles Theater, alles gemacht, alles nichts, und daraus wird im Leben nichts,« erwiderte der Andere. »Seine Excellenz der Herr Minister von Stein,« flüsterten sich die Logenschließer zu.
    Aber als das Lied durch neue Hochs, dem Könige gebracht, unterbrochen wurde, klappte wieder eine Logenthür, eine Stimme theilte den Vornesitzenden etwas mit, diese sprachen nach links und rechts, und bald lief es wie ein Lauffeuer durch die Logen: »Die Garnison marschirt! – Die Berliner Garnison rückt aus!«
    Soll das den letzten Druck geben! schien des Ministers Blick zu seinem Begleiter zu sagen, während der Lärm drinnen sich wieder steigerte. Ein Vorübergehender las den Sinn der ungesprochenen Worte und erwiderte dem Manne, den er nicht kannte: »Sie können es gewiß glauben, mein Herr, diesmal ist es Ernst. Die Kriegskasse ist schon fertig, und das Feldlazareth wird gepackt. Ich habe einen Vetter, der dabei ist.«
    »Und ich habe es selbst angeordet.« lächelte der Minister seinem Begleiter zu. »Soll man sie um ihren Glauben beneiden oder bedauern?«
     

Zweiundfünfzigstes Kapitel.
     
Am Altar des Vaterlandes.
    Was bis hier geschehen, davon finden wir die Hauptzüge wenigstens in den öffentlich gewordenen Berichten. Die Zeitungen gedenken des denkwürdigen Abends; aus ihnen sind jene Züge schon

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