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Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht

Titel: Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willibald Alexis
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sahen ihn die Wenigsten, aber Stimmen schrien schon: »Viktoria! Ein Sieg, ein ungeheurer Sieg! Hoch lebe der König! hoch Preußen!«
    Umsonst sträubte sich der junge, staubbedeckte Mann, dem man die äußerste Erschöpfung von einem angestrengten Ritt ansah. Sein Gesicht war blaß, nur zuweilen von einer flammenden Röthe überflogen. Er sprach lebhaft, aber mit Anstrengung zu den um ihn Stehenden. »Meine Herren, es ist ein Irrthum, ich bin nicht selbst der Träger der erwünschten Nachrichten. Ich habe vergebens draußen schon gegen die Auszeichnung protestirt, aber man hört mich ja nicht. Meine Depeschen vom Minister Haugwitz enthalten nichts, noch können sie etwas von der Nachricht enthalten, die Sie, die wir Alle wünschen, daß sie auf Wahrheit beruhe. Meine Depeschen, wie meine eigne Kenntniß der Dinge sind von Wien, von weit älterem Datum. Ich wusste mich, um nicht aufgefangen zu werden, auf Nebenwegen durchschlagen. Ich musste weite Umwege machen, und ich wiederhole Ihnen, daß es nur ein Gerücht ist, was ich an der sächsischen Grenze zuerst hörte. Was verlangen Sie von mir, daß ich es hier öffentlich mache! Ich kann nichts sagen, als daß ich von Andern gehört, was diese wieder gehört.«
    Die in den Logen und dem hinteren Parterre hatten natürlich nichts von dieser Protestation gehört. Unisono schrie, tobte, forderte man, daß der Courier laut spreche: was hier gut sei, müsse es für Alle sein. »Hier sind keine Verräther! Keine Spione!« – »Auf das Proscenium!« – »Sie müssen jetzt, Bovillard,« rief Jemand, der ihn kannte, »oder man lässt es uns entgelten.«
    »Der Erschöpfte ward von zwei Männern unter den Arm gefasst und fast auf die Bretter hinaufgerissen.« Uebrigens herrschte kaum ein Unterschied mehr zwischen der Bühne und dem Zuschauerraum. Selbst von den angesehensten Damen standen schon mehrere auf der ersteren. Schauspieler hatten einen Altar herangetragen, der vielleicht aus der vorigen Opernvorstellung noch hinter den Coulissen stand. Er diente dem Erschöpften, der sich von seinen Begleitern losgemacht, zur Stütze. Sein Auge rollte, als suche er in der Luft nach Worten, während es den Umstehenden nicht entging, daß seine Glieder fieberhaft zitterten. Jetzt fuhr er mit der Hand über die Stirn; um die Erinnerung zu sammeln, glaubten Einige, Andere versicherten nachher, er sei gestanden, als habe er ein Gespenst gesehen. Da rief er plötzlich aus voller Brust: »Sieg, Sieg verlangen Sie aus meinem Munde. – Wenn wir an uns selbst glauben, deutsche Männer, müssen wir ja siegen! Warum nicht dort !« – Ein Händeklatschen, ein brüllender Applaus: »Sieg! Ein Sieg! – Weiter! – Wo?« – »In Mähren, hinter Brünn – eine Schlacht, sagen sie, ist geliefert, blutig, wie keine seit Menschengedenken – drei Tage hätte sie gewüthet – drei Kaiser standen sich gegenüber – dreimal ging die Sonne blutroth auf – am dritten –« Alles hörte bang, mit angehaltenem Athem, während der Sprecher nach Luft zu schnappen schien. – »Am dritten hat man ihn gesehen – Bonaparte – in der Mitte von nur drei Reiterregimentern, die ihn mit ihren Leibern schützten – sich durchschlagend nach Baiern – sein Heer, sein großes Heer –«
    »Was ist ihm?« riefen die Nächststehenden. Bovillard beugte und stützte sich, wie um sich zu halten, oder etwas zurückzudrängen, auf den Altar. Durch die weiten Räume aber brauste es: »Hurrah! – Viktoria!« – »Kränzt den Siegesboten!« rief die Fürstin, die Treppe herauf steigend. – »Kränzt ihn!« wiederholten weibliche Stimmen.
    Die Kränze waren da, aber das Publikum wollte vorher den ganzen Freudenbecher ausgeschüttet wissen: »Sein Heer – wo ist sein Heer?«
    »Fragt die Erynnien! – Eine Blutlache –«
    Diese Worte konnte man auf dem entferntesten Amphitheater verstehen, so scharf schnitten sie durch die Luft, doch ohne den sonoren Metallklang von vorhin. Dann hörte man einen Fall, einen Schrei der Umstehenden, Töne des Jammers, Einige wollten ein Auflachen gehört haben. Sehen, was vorgefallen, konnten natürlich nur die Nächststehenden; indem man, um zu sehen, herandrängte, verbarg man die betreffenden Personen. Von Mund zu Munde ging es, der Bote der Siegeskunde war am Altar des Vaterlandes niedergesunken, aber mit voller Ehre. Ein junges Mädchen, schön wie keine, in Fiebergluth, hatte sich mit dem Kranz über ihn erhoben, aber als sie ihm denselben auf die Stirn drückte, als er ihre Hand

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