Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht
Lupinus mich dazu fähig hält.«
»Fähig, das weiß ich nicht, ich kenne Sie nicht genug. Aber aus Klugheit dürfen Sie vielleicht nicht Kompagnieschaft halten. Die gemeinen Seelen müssen, es ist ihre Natur, Krieg führen gegen alles, was sich über ihr Niveau erhebt. Und Sie sind in diesem Kriege. Bleiben Sie in der Defensive, so sind Sie verloren. – Ich weiß es nicht,« setzte sie nach einer Weile hinzu, »ich kümmere mich nicht darum, ob Sie den Muth haben, Ihren Feinden ins Lager zu dringen.«
Unwillkürlich war Walters Blick auf seinen Arm in der Binde gefallen.
»Sie haben den Chevaleresken gespielt, Ihren Gegner am Leben gelassen. Verspielt, Herr van Asten! Wer seinen Gegner nicht vernichtet, hat ihn gestärkt. Hätten Sie Rache genommen, wie die Beleidigung es heischte, ja dann – aber glauben Sie nicht, daß man Sie darum für einen Kavalier hält, weil Sie nach der Mondschrift in dem schwarzen Buch der Kavalierehre gehandelt. Obsolete Dinge! Man zuckt die Achseln, ein Gelächter rieselt, wenn die Junkeroffiziere von der Affaire erzählen. Der Andere wird jetzt beklagt, Sie – Sie Walter, werden nicht gefürchtet. Und Sie könnten gefürchtet werden, es war in Ihre Hand gegeben. Es war die einzige Waffe für den Bürgerlichen, glauben Sie mir, ich kenne sie ja, sich Respekt zu verschaffen. Die warfen Sie aus der Hand. Was wollen Sie nun thun? Alles, was Ihre feine, scharfe Feder schreibt, kitzelt da Keinem die Haut. Sie antichambriren umsonst. Ihre Ideen bleiben Mondscheinsgedanken, denn die Welt bleibt dieselbe, Herr van Asten. Nach jedem Erdbeben, wo etwa die Lohe des Geistes, aus der verschlossenen Tiefe berstend, über die Thäler und Berge wirbelte und die Wolken erleuchtete, wo die Geknebelten Freiheit schrien und Recht, nach jedem solchen Rausch kommen sie wieder zur Besinnung, es zieht sich wieder die Rhinoceroshaut der Gewohnheit um das Pseudotitanengeschlecht, das den Himmel stürmen wollte, und die Menschheitsbeglücker hat man noch immer nachher gekreuzigt und verbrannt, wenn man es nicht für bequemer hielt, sie nur einzusperren und auf dem Stroh verfaulen zu lassen. Die Welt wird nicht anders.«
»Noch würde ich sie geändert haben, wenn ich den Kornet in die jenseitige geschickt. Die Rache baut nicht Häuser, sie zerstört nur. Wehe, wo es gilt, unser zerrüttetes Gemeinwesen wieder heben, wenn die bisher Gedrückten nur daran denken, sich an ihren Unterdrückern zu rächen, wenn nicht alles Persönliche als wesenlos bei Seite bleibt, wenn die Retter nicht mit ernstem, heiligem Willen an die That gehen.«
Man hätte ein chamäleonisches Mienenspiel auf dem Gesicht der Geheimräthin bemerken können, das sich endlich in ein feines ironisches Lächeln um ihre Lippen auflöste: »Sie haben die Prüfung gut bestanden, Herr van Asten, ganz wie ich sie erwartete. Hoffen wir Alle auf dem Wege der Geduld und Entsagung zu unserm Recht zu kommen. Ich habe Geduld. Nicht wahr? Und ich habe entsagt – sogar dem Glück, verstanden zu werden. Kann man mehr? Leben Sie wohl –«
Sie war gegangen, um an der Thür wieder stehen zu bleiben: »Sahen Sie Adelheid seit Ihrem Ehrenhandel?« – »Sie hatte einen Rückfall, als ich nach meiner Genesung ansprach.« – »Sie werden auch in dieser Entsagung sich einen Lorbeer erringen können.« – »Wenn ich um den Sinn der Worte bitten darf?« – »Daß Adelheids Sinn, seit sie bei der Fürstin ist, sich geändert hat, brauche ich Ihnen doch nicht erst zu sagen.« – »Die Fürstin hat so wenig Macht, als irgend eine Frau auf Erden, Adelheids Sinn zu beugen.« – »Freilich, da ein Anderer ihn schon gebeugt hatte.« – »Ich werde mich selbst zu beugen wissen vor dem Unabänderlichen, wenn es entschieden ist.« – »Eine seltsame Bezeichnung für den jungen Bovillard.« – »Bovillard!« – »Liebt, das heißt, er rast für sie. Nun, das weiß jedes Kind. – Sie gewiß auch.« – »Bovillard!« – »Er ist ja auch wohl Ihr Freund? Was thut das! Daß die Fürstin Adelheid deshalb zu sich genommen, daß es eine große Komödie in der Komödie war, ist Stadtgespräch. Daß Adelheid seine Neigung erwidert, und nur krank ist, weil sie es zu gestehen sich scheut, sind öffentliche Geheimnisse.«
Walter hatte an seinen wunden Arm gefasst, nur um mit der Hand irgend etwas zu fassen. Der furchtbare Schmerz erpresste ihm einen unterdrückten Schrei, er lehnte sich erblassend an ein Möbel.
»Nun, Sie werden heroisch sein. Wer wird Rache nehmen,
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