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Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht

Titel: Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willibald Alexis
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Gefahr wohl nicht so groß sein werde, als man annehme, daß die Natur des Geheimraths auch schwerere Krankheiten zu überwinden im Stande sei, daß er unter einer solchen Pflege genesen müsse.
    Den starren, höhnischen Blick, als sie das Tuch wieder sinken ließ, konnte er nie vergessen. »Meinen Sie, Herr Doktor? – Er wird sterben. – Wenn auch nur darum, damit die Leute sagen können, ich hätte ihn schlecht gepflegt.«
    »Gnädige Frau, es ist nur eine Stimme, mit welcher Aufopferung Sie für das Schicksal Ihrer Angehörigen sorgen.«
    »Sind Sie wirklich noch so jung und harmlos, Herr van Asten? – Sie haben doch auch schon Erfahrungen hinter sich,« setzte sie hinzu, »und sollten wissen, was auf diese Stimme zu bauen ist. Oder hörten Sie immer nur den lächelnden Anfang und und schlossen vergnügt Ihr Ohr, wenn die herzlich Theilnehmenden von ihrem Lobe sich erholten, zuerst in kühler Betrachtung, die sie unparteiische Wirkung nennen, dann in leisen Bemerkungen, daß bei dem vielen Guten doch auch Schattenseiten sind; endlich wenn die liebreichen Seelen erkannt, daß sie unter sich sind, öffnen sich die Schleußen und die ätzende Bitterkeit schießt heraus, bis von dem Lobe nichts bleibt, als einen tödtende Wunde.« – »Das Thier im Menschen zu bekämpfen, sind wir auf dieser Erde.« – »Meinen Sie, Herr Doktor! Ich meinte nur die Klauen und die Stachel unter einer glatten Haut zu verbergen. – Wer leben will, athmen, genießen,« rief sie mit einer heiseren Stimme, die nur aus einer zerrissenen Brust kommt, »dem rathe ich nicht, die Waffen fortzuwerfen, die ihm die Natur gab.« – »Sie gab uns auch andere – einen Schild, durch welchen die Stacheln nicht dringen.« – »Der Schild, den Sie meinen, heißt Resignation. Sind Sie in der That noch so unschuldig, Herr van Asten, oder, ich glaube doch nicht, daß Sie zu den koncilianten Gemüthern sich geschlagen haben, die jeden Riß mit einer weißen Salbe heilen möchten. Nein, ich weiß es, auch Sie stemmen den Kopf gegen eine Mauer. – Machen Sie sich doch nicht kleiner, als Sie sein wollen, vor – Denen, welche Sie von einer besseren Seite kennen gelernt!« sprach sie plötzlich aufstehend. Sie war in einer Aufregung, die Walter an ihr neu war. Sie wollte das Zimmer verlassen, aber es war ein Dämon in ihr, der sie sprechen ließ, was sie nicht sprechen wollte.
    »Das Leben ist ein fortdauernder Krieg Aller gegen Alle. Einfaltspinsel oder Betrüger, die von der Humanität faseln. Die stillen, friedlichen Pflanzen haben kein ander Naturgesetz, als eine die andere niederzudrücken. Nur die entfernt stehen auf zwei Gipfeln, die den Saft der Erde, Thau und Licht des Himmels nicht zu theilen haben, mögen mit Liebe koquettiren. Das kann der Mensch nicht. Zwei, die auf zwei Gipfelhöhen stehen, beneiden sich auch in der Entfernung; so fein hat die Natur es gefügt. – Unterbrechen Sie mich nicht, mein Herr, ich statuire gar keine Ausnahmen. Mann und Frau sind doch wenigstens eins, wollten Sie einwenden! Ja, bei den Ehen, die im Himmel geschlossen werden. Nur schade, daß bei denen, die wir kennen, der Notar und der Geistliche das Werkzeug waren. Wir leben auf dieser Erde, mein Herr. Ihre dämonischen Säfte, ihr Athem zuckt in unserm Blut, und ihr Prinzip ist: tödten, indem wir nach Luft und Leben ringen. Ihre Rechtsgelehrten sprechen ja wohl von dem Recht der Noth, wonach von zwei Schiffbrüchigen auf einem Brett der schlauere und stärkere den anderen hinabstoßen darf. Die Thoren nennen es einen Ausnahmefall. Es ist die Regel, das Naturgesetz, danach leben Könige und Völker, es gilt allüberall, wo die heiße Sonne auf das blasse Elend scheint, und der blasse Mond spöttisch über die Seufzer lächelt, die aus der heißen Brust zu ihm aufsteigen. Oder gehören Sie zu Denen, die das Brett loslassen, und sich von der Welle fortspülen lassen, damit die Kreatur am andern Ende, der edle Nebenmensch, gerettet wird?« – »Ich ward noch nicht in die Versuchung geführt.« – »Wenigstens ehrlich!« lachte die Geheimräthin. »Nein, nur halb ehrlich! Die kleinen Versuchungen, wo Sie unterlagen, haben Sie aus Schonung gegen sich selbst vergessen. Sie zittern nur vor den großen, die noch kommen.« – »Ich will sie abwarten,« – »Mit der Miene eines Stoikers. Aber ich sehe, wie der unterdrückte Ehrgeiz, das getäuschte Vertrauen unter den Fältchen Ihrer Stirn kocht. Sie thun recht daran, Herr van Asten, die Haut recht glatt zu spannen.

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