Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht
gewann durch das Gepräge der Wahrheit einen Ausdruck, der für sie in dem Moment überwältigend war.
»Liebe Alltag, warum zieren Sie sich denn vor mir,« sprach die Eitelbach mit dem gutmüthigsten Tone von der Welt. »Der Bonaparte mag ein noch so böser, und unser König ein noch so guter Mensch sein, jeder Mensch denkt doch an sich zuerst.«
»Jeder!« sagte Adelheid, um nur durch ein Wort ihrer gepressten Brust Luft zu machen.
»So ist es schon. Ich lass' mich auch gar nicht mehr irre machen. Krieg mag schon nöthig sein auf der Welt, meinethalben; ich kenne sie aber, die Herren Offiziere, alle, und da ist keiner, der nicht an sein Avancement denkt, wenn er sich in den Kragen wirft und grunzt, daß man glaubt, die Seele sollte ihm ausgehen, von des Königs Rock und Friedrichs Ehre, und wenn er dann auf den Hacken Kehrt macht und eine Miene sich geben will – Na, habe Dich nur nicht, denke ich. – Gerade wie mein Mann. Wenn der spuckt und über den Frieden lamentirt und sagt: Daran gehen wir zu Grunde! dann weiß ich auch, was die Glocke geschlagen hat. Wenn er die Mantellieferung gekriegt, dann wären wir nicht zu Grunde gegangen und es könnte Friede werden in alle Ewigkeit. So sind die Männer. Sie denken nur an sich.«
»Nicht alle.«
»Nein, Einer nicht. Aber sonst! Ja, wenn das Andre draußen mit ihren Wünschen zusammenpasst, dann sind sie lichterloh. Das weiß dann zu parliren und encouragirt sich, bis sie's am Ende selbst glauben, daß es darum ist. Es amüsirt mich, wenn ich sie so höre sich warm reden; aber mich täuschen sie nicht mehr, auch die Klügsten nicht. Ich denke: sprecht Ihr nur, ich weiß doch, was dahinter steckt.«
»Täuschen die Männer nur? Belügen wir uns niemals?«
Die Baronin schien nachzusinnen: »Nein, liebe Seele, Engel sind wir auch nicht immer. Wenn mein Mann Feuer schlägt, mancher Schwamm will gar nicht zünden, aber der andre fängt im Augenblick, der ist weicher, sagt er. So sind wir Frauen, habe ich da gedacht. Wenn ein Funken vom Himmel fiele, bei den Männern hat es gute Weile, aber wir –«
»Lodern rascher auf. Ist das aber gut?«
»Was vom Himmel kommt, ist doch gut. Die Leute sagen nun, Sie könnten den Louis Bovillard nicht ausstehen, weil er den Napoleon einen großen Mann nennt und Gott weiß was. Die Leute sind nicht gescheit. Er thut es nur, um sie zu necken und Sie auch. Und wissen Sie, warum Sie ihm immer den Rücken kehren? Damit er sich nicht einbilden soll, daß Sie ihm gut wären. Und warum Sie immer so in Extase sprechen, wie Sie die Franzosen hassen? Nur damit die Andern nichts merken sollen, wie Sie verliebt sind.«
»Frau Baronin!«
»Mir machen Sie nichts weiß. Sie sind's bis über die Ohren, und wenn er selbst ein leibhaftiger Franzose wäre, schadet nichts. Und wenn er dem Bonaparte sein General, oder gar sein Spion wäre, da würde Ihr Franzosenhaß so klein, ach, mit dem Theelöffel könnten Sie ihn runter schlucken.«
Adelheids erstaunter Blick sagte: »Wie kamst Du dazu?«
Auch diese stumme Sprache verstand die Erleuchtete: »Und ich weiß auch wohl nicht, was Sie jetzt denken? Daß die blinde Henne auch mal ein Korn gefunden hat. – Denken Sie's immer zu, ich nehm's Ihnen gar nicht übel. Als ob ich nicht wüsste, daß die Andern auch so denken! Das genirt mich aber gar nicht. Haben Sie doch gedacht, Sie könnten mir Männchen vormachen und mit mir Blindekuh spielen in Ewigkeit. Eine Weile geht's, aber dann fällt die Binde doch runter. Jetzt sollen Sie's aber nicht mehr, da gebe ich Ihnen mein Wort. Allzuscharf macht schartig, und hinterm Berge wohnen auch Leute, sagte meine Mutter. Aber warum wickeln Sie sich so in Ihren Shawl? Zu schämen brauchen Sie sich doch nicht, und vor mir am wenigsten, denn ich sage es Jedem grad heraus: Ich liebe und bin glücklich.«
»Und Sie haben doch entsagt!« Das Verhältniß der Baronin war zum öffentlichen Geheimniß geworden.
»Und nun bin ich gerade erst glücklich. Ich weiß, er liebt mich, und er weiß, ich liebe ihn, und es geht nun einmal nicht.«
»Ist das ein Glück?«
»Muß man denn sich immer ins Auge sehen, die Lippen öffnen und die Hand drücken, um sich zu sagen, daß man sich liebt! Wenn wir noch so weit getrennt sind, sehen wir nicht Beide da den Abendstern aufgehen? Brauchen wir uns Briefe zu schreiben, um uns zu sagen, daß wir uns nie vergessen werden? Ja, ehedem dachte ich wohl, ohne Rosabillets auf duftendem Papiere, und schöne Präsente ginge es nicht. Ach,
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