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Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht

Titel: Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willibald Alexis
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wie ist das Alles ganz anders! Diese Blicke aus seinen treuen, guten, schönen Augen werden immer vor mir stehen, wie die Sterne am Himmelsbogen. Und ist das kein Glück, daß ich überzeugt bin, auch er sieht mich, wie ich ihn sehe! Auch er wird von falschen Zungen umschwirrt, die mich wie ihn verreden. Aber auch er weist sie zurück! Nein, je weiter Zeit und Ort uns entfernen, um so inniger wird unser Bund, denn er ist unauflöslich. – Und, Adelheidchen, so könnten Sie auch fortlieben und glücklich sein –«
    »Und lügen – lügen in Ewigkeit!« brach es aus der gepressten Brust. Es war unwillkürlich; die Eitelbach wollte sie nicht zur Vertrauten ihrer Gefühle machen.
    »Entsagen, Liebe, ist das lügen? Der Besitz tödtet die Freude des Verlangens, hat mir Jemand ins Stammbuch geschrieben. Würde ich ihn lieben, wie jetzt, wenn er vor acht Jahren – nun ja, wäre er mein Mann, dann würden wir uns vielleicht recht gut sein, aber hätten sich unsre Seelen kennen gelernt! Die gemeinschaftliche Menage, sagt der Legationsrath, das tägliche Beieinander stumpft die feineren, sinnigen Gefühlsfäden ab, nur Verlangen und Entbehrung weckt die edleren Seelenkräfte. Er will's mir auch ins Buch schreiben. Er braucht es nicht, ich fühle es, ich weiß es. Ich ward eine Andere, mein Mann sagt, er kennt mich nicht wieder. Nun bin ich erst froh, ich weiß, warum ich lebe. Wir nicken uns durch die Lüfte einen guten Morgen zu. Wenn ich ausfahre, freue ich mich der frischen Luft; auch ihn kühlt sie ja, wenn er über die Haide sprengt. Abends schüttelt er treuherzig den Kopf und ruft mir Gute Nacht! zu.«
    Adelheid fasste krampfhaft den Arm ihrer Begleiterin: »Soll das Ihr Leben dauern?«
    »Herr Gott, wie Sie zittern! – Warum denn nicht.«
    »Weil – allmächtiger Gott, ich glaube, der Versucher rauscht in den alten Eichen! Nennen Sie das entsagen?«
    »Wie denn sonst? Der Versucher, das weiß ich wohl, mit dem hat die Fürstin es zu thun, er vergiftet das Blut, sagt sie, und der sündhafte Gedanke zehrt an der Seele, ein kleiner Fehltritt sei nichts gegen eine große Gedankensünde. Ach, die gute Gargazin ist eine Russin, sie kennt die Liebe nicht, die sich Alles versagt, und nur für den Geliebten sorgt. So, liebe Seele, würden Sie lieben. Wenn Sie den Herrn van Asten heirathen müssen, weil er Ihr Wort hat, thun Sie's, und er wird gewiß ein guter Ehemann werden, besser als meiner. Aber dann, wenn Sie Ihre Pflicht gethan, wer darf Sie von Ihrem Bovillard trennen, o, dann werden Sie selig, unaussprechlich selig werden.«
    Adelheid fühlte einen Schwindel, es schwankte und drehte sich und ihr war, als müsse sie aus dem Wagen springen. Es war aber mehr als eine Empfindung der aufgeregten Stimmung. Der Kutscher, wie sich nachher ergab, betrunken, hatte den Wagen aus der Seitenallee in die Chaussee umgelenkt, ohne den Charlottenburger Milchkarren, der leer aber langsam ihm entgegenfuhr, zu bemerken. Die Fuhrwerke waren aneinander gestoßen, freilich zum größern Schaden des Karrens, der zerbrochen am Boden lag, die Blechgefäße polterten auf die Straße, aber auch die Equipage hatte sich übergelehnt, und Adelheid war jetzt zu dem gezwungen, wozu vorhin innere Angst sie drängte.
    Als die Baronin noch um Hülfe schrie, hatte sie, rasch entschlossen, sich schon danach umgesehen, und sie war zur Hand. Zwei einsame Spaziergänger waren von den entgegengesetzten Seiten des Weges auf den Lärm herangeeilt. Adelheid riß ihren Shawl von den Schultern, und warf ihn dem ihr Nächststehenden zu. Als er aber die Arme ausbreitete, um ihr herabzuhelfen, fuhr auch ihr ein Schrei über die Lippen, kein lauter in dem allgemeinen Toben und Fluchen, aber laut genug, daß er Zweien durchs Herz fuhr, der, welche ihn ausgestoßen, und dem, welcher ihr die Arme entgegenstreckte. Walter van Asten sah, wie Adelheid sich von ihm abwandte und umschlungen vom Arm des Rittmeisters Stier von Dohleneck aus ihrer gefährlichen Lage gehoben ward. Er hatte genug gesehen. Auch die Baronin durchzuckte ein Ton, der nur halb über ihre Lippen kam. Sie nahm die Hülfe des jungen Mannes dankbar an: »Ich danke Ihnen,« sagte sie, ihr Haar in Ordnung bringend, »daß gerade Sie es sind.«
    Wir lassen unsere Leser auf der dunkelnden Charlottenburger Chaussee nicht länger verweilen: was geht uns der Lärm, das wüste Gezänk an zwischen Kutscher, Milchmann, den umstehenden Schiedsrichtern und Helfern. Ein Rad war gebrochen, in der Equipage konnten die

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