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Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht

Titel: Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willibald Alexis
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einem gewagten Spiel, aber ich frage mich vorher, ob der Vortheil das Risiko lohnt?« – »Was geht Sie meine Rechnung an? Einen Stein kann man nicht schmelzen, man sprengt ihn oder wartet, bis der Blitz ihn spaltet; das Erz kann man aber so lange glühen und wieder zerglühen lassen, bis man es zu der Form geschmeidig findet, die man ihm geben will. Wollen Sie sich in Adelheid verlieben, Ihre Künste an ihr versuchen, ich habe nichts dagegen, ich will nicht eifersüchtig sein. Sie liebt ihn, ich meine Bovillard, das ist ihre Krankheit, die verborgene, die an ihr zehrt. Sie muß heraus, die Krisis ist nothwendig; darum wird sie kommen, ohne daß wir etwas dazu thun. Verstehen Sie mich, wir lassen die Natur walten.« – »Und dann?« – »Wenn Sie die Bibel läsen, würden Sie wissen, man soll nicht für den andern Morgen sorgen. Sein Sie heut Abend liebenswürdig, Herr Legationsrath.« – »Ich bin nicht ganz disponirt.« – »Sie sollen es sein, Sie können es sein. Herr von Bovillard hat nur zwei Augen, und die gehören jetzt nicht ihm.«
    Die Wagen fingen an vorzurollen; die Fürstin verschwand mit dem wiederholten Befehl: »Sein Sie liebenswürdig!« – Sie hatte kaum Zeit, ihre Toilette zu ändern, aber Niemand hat den Blutfleck an ihrem Aermel gesehen.
     
Einundsechszigstes Kapitel.
     
Was sagen Sie zu meiner Frau?
    Das war dem glänzenden Gesellschaftsabend vorangegangen.
    Der Abendstern, der heute glänzen sollte, sagten wir schon, erschien aber wie ein erlöschendes Licht. Die Töne, welche im Souterrain das Ohr zerrissen, waren nicht zu Adelheid gedrungen, und wenn einer, so ahnte sie nicht den Grund; es war für sie nur in der Luft das dumpfe Accompagnement ihrer eigenen zerrissenen Gedanken. Nie war ihr eine Toilette schwieriger geworden. Sie dachte, so müsse einem Verurtheilten zu Muthe sein, wenn er sich zum letzten Gange ankleidet.
    Zum Glück war die Aufmerksamkeit heute nicht auf die blasse Adelheid koncentrirt; sie richtete sich vielmehr auf eine andere Erscheinung, von der man sagen dürfte, daß sie in voller Blüthenpracht war.
    Aus einiger Entfernung sah die junge Dame an der Thürecke wie ein liebliches junges Mädchen aus, dem die Scham die Wangen röthet, die Augen schlägt sie nieder in holder Befangenheit. So schüchtern stand die Gazellengestalt, halb bedeckt von dem Oleanderbosket, das aus irdenen Töpfen in malerischer Unordnung um den mit Epheu umhangenen Thürpfosten duftete. Die schöne Blüthe zitterte vor jeder Berührung, wenn wir die Begegnung, die Ansprache der älteren Damen, welche die Thür passirten, so nennen sollen. Das Wechselgespräch war immer sehr kurz; man konnte glauben, zur Zufriedenheit des jungen Mädchens, das vielleicht erst seit Kurzem in die Gesellschaft eingeführt war, und der Boden unter ihr brannte, vor Angst, daß sie einen Verstoß begehe. Wenn man einen Schritt näher trat, verwandelte sich die Achtzehnjährige allerdings in eine vollblühende Zwanzigerin, die Moosrose ward zur vollen Centifolie. Aber schön blieb sie, man konnte unwillkürlich rufen: wunderschön! Wem das dunkle, schwimmende Auge zwischen den schwarzen Brauen und den rothen, anmuthig schwellenden Pfirsichwangen einen Blick zuwarf, musste von Stein sein, wenn er nicht gerührt ward. Und war sie nicht eine Zauberin, eine Armida? Zwischen den Oleandertöpfen schossen eine weiße und eine Feuerlilie in die Höhe, und bunte Glaslampen, damals etwas in Berlin Unbekanntes, warfen ihr Zauberlicht auf die Blumen und das schöne Mädchen, das sich auf ihnen zu wiegen schien wie eine Titania, Grazie jede Bewegung. Wie sie mit den Blumen in ihrer Hand spielte die sie vielleicht in Gedanken von einem Strauch gepflückt, das war kein gewöhnliches Fächerspiel, das die Verlegenheit verbergen soll und die fehlenden Worte ersetzen. Es war die Sicherheit einer Königin, die den Herzen zu gebieten weiß, unbesorgt um ihre Herrschaft. Wenn sie die sanft geworfenen Lippen öffnete und die schönen Zähne im Gespräch zeigte, konnte man schwören, wenn man auch kein Wort verstand, daß sie eine witzige Replik, eine glückliche Bemerkung hinwarf. Sie konnte auch abfertigen, und man mochte ebenso schwören, daß die Vielen, die mit ihr eine Unterhaltung anknüpften, aus Lust oder aus Gelegenheit, ihr nicht genügten.
    Wenn man indeß noch einige Schritte näher trat, – doch wir können unsre eignen Beobachtungen sparen, wo eine Gruppe Herren, an der Thür gegenüber, sich die ihrigen schon

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