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Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht

Titel: Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willibald Alexis
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auflösen.«
    »Sie würden es!« rief die Fürstin. »Wer sagt Ihnen, daß sie es nicht schon sind! Er leidet für seine Herrin, die er anbetet, er leidet durch ihren Willen, und er kennt kein höher Gesetz. Diese Leibeigenen sind glücklicher als wir, mein Herr Legationsrath von Wandel. Wie das Animal, die Pflanze, stehen sie dem Ursprünglichen näher. Und wir ringen unser Leben durch vergebens nach dem Paradieseszustande zurück, in dem sie existiren. Wie die Lilie auf dem Felde, wie der Vogel im Busch, freuen sie sich der Sonne, die sie bescheint, sie legen ihr Haupt nieder auf den grünen Rasen unter freiem Himmel, oder auf die Bank, die man ihnen am Ofen gebaut. Sie denken nicht, sie sorgen nicht auf den andern Tag; Speise und Trank ihnen schaffen ist unsere Aufgabe. Sie kennen unsere Pein und unsere Qualen nicht, unsere Zerrüttung und Zerrissenheit steht ihnen fern. Sie würden sie so wenig begreifen, als der Herr von Wandel, warum der Erlöser für uns gelitten hat, warum in Natur und Welt es so gefügt ist, daß immer ein Anderer für den Schuldigen leidet, daß es Sündenböcke gab im alten Testament, Märtyrer und Heilige, die den Ueberschuß ihrer guten Werke uns als Erbe ließen. Diese Sklaven singen und lachen, während wir, die Erwählten, die tausend Nadel- und Dolchstiche empfinden, die Welt und Verhältnisse täglich in unser Herz drücken, und wir müssen dazu ein lächelnd Gesicht machen, auch wenn wir in krampfhafter Pein vergehen möchten. Was ist das Bischen Noth dagegen, das unsere Laune ihnen bereitet; die schöpferische Laune, die heute quält und morgen dafür entzückt.«
    »Warum stehen Sie in Gedanken verloren?« hub sie nach einer Pause wieder an; ihre Verzückung, wie es schien, hatte sich gelöst. Sie ließ die Arme sinken, und sah ihn fast mitleidig an. »Sie armer Mann, was ich Sie bedaure in dem hochmüthigen Mitleid, was Sie in dem Augenblick über die Schwärmerin empfinden mögen.« – »Ich bedauerte nur,« erwiderte er, »daß die Gottheit, die wir uns als männliches Wesen denken, kein Weib ist. Wie viel schöner würde ihre Welt sein.« – »Ihr Spott kann mich nicht mehr beleidigen. Sie thun mir so unendlich weh, weil jede Entzückung Ihnen versagt ist. Aber ich appellire an Ihren Verstand. Womit wollen Sie die Welt zusammenhalten? Diese Masse, diesen Pöbel, das Chaos von kriechendem Gewürm, das fliegen möchte und nicht aufrecht gehn kann! Wer soll sie bändigen, fesseln, wenn keine eherne Faust, umspielt von süßen Himmelslichtern, da ist, keine beseligende Illusion; diese gemeinen, rohen, selbstischen Kreaturen, die aus Habsucht Einer auf den Andern stürzen, sich zerreißen, verzehren möchten. Sie kratzen sich die Augen aus, damit der Bruder nicht schärfer sieht, sie verschlingen die Vorrathskammern, die ihren eigenen Winter sichern sollten, damit die Mitmenschen nicht im Vollen leben. Täuscht sie der Popanz Humanität, den die Afterweisen an ihren papiernen Gesetzhimmel malen, und Jeder stellt dem Andern ein Bein, und Gift auf der Zunge, Erbschleicherei, Betrug, Raub, Brudermord lauert unter der Lämmermaske dieser Alltagsgesichter.«
    »Der Popanz täuscht mich nicht, Prinzessin,« sagte Wandel. »Mich täuscht überhaupt nichts. Ja, könnten wir sie alle wieder als eine Horde Leibeigene einpferchen in die dumpfen Ställe alter Gewohnheiten. – Schade nur, daß es auch nur eine Illusion ist, und wenn – die Priester würden sich untereinander auch auffressen.«
    »Hoffen Sie noch auf die Vernunft.« fuhr die Fürstin fort, die ihn wieder nur halb gehört. »Die Göttin, die sie in Frankreich auf die Altäre hoben, hat doch zu aller Welt geschrieen: seht, wie albern und ohnmächtig ich bin! Oder hoffen Sie's mit dem Geist, der wie ein Blitz aus dem Himmel in das Gewürm wetterleuchtet. Wie oft fuhr er nieder in diesem Deutschland, in Philosophen und Gesetzgeber, in verstockte Mönche, Stubengelehrte und Fürsten auf dem Thron. Was hat er gezündet, gewärmt und gefruchtet! Die dumpfen Ställe der alten Gewohnheit hat er in Brand gesteckt, aber die Unglücklichen, daraus Vertriebenen, wo fanden sie anderes, helleres, wärmeres Obdach! Feuersbrünste hat er angefacht, Wälder und Haiden verzehrt, aber wo nur eine Fackel angezündet, die in der Nacht leuchtet, welche immer darauf wieder eintrat. Da lobpsalmen die alten Weiberstimmen in den nüchternen Kirchen den Herrn, daß er die Greuel des Aberglaubens und der Finsterniß verscheucht hat, aber wo blieb ihr

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