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Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht

Titel: Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willibald Alexis
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mir bringen,« waren die nächsten Worte der Gargazin, und die Freude schien auf ihr Gesicht zurückgekehrt, als sie den neuen Gast neben sich aufs Kanapé gezogen. Ihr Auge streifte über die Andern hin, es lag darin ein gütiger Befehl an die Freundesgruppe, sich aufzulösen. Die Hofdame hatte sich mit dem Regierungsrath schon fortgeschlichen. Der Comteß nickte sie zu: »Geben Sie Ihren Arm getrost dem guten Rittmeister. Ich versichere Sie, Comteß Laura hat keinen bessern Freund als Herr von Dohleneck.«
    »Ich weiß, was ich Ihnen bringe,« hatte die Geheimräthin erwidert. »In das Haus der Freude eine Trauergestalt, aber die Pflicht der Dankbarkeit geht über diese Rücksicht.«
    »Dankbarkeit?« rief die Fürstin mit einem erstaunten Blick, indem sie die Hand der Geheimräthin an sich zog. »Sie stehen noch immer, Herr von Wandel, wollen Sie nicht neben uns Platz nehmen, meine Freude theilen. – Madame Lupinus spricht von Dankbarkeit!« – »Nur von einer Pflicht, gnädigste Fürstin, die ich so lange aufgeschoben. Sie haben sich meiner Pflegetochter wie eine wahre Mutter angenommen.« – »Ach das! – Ich bitte Sie, kein Wort davon.« – »Gönnen Sie mir das Wort. Ja, ich bekenne es, ich bringe ein Opfer, um endlich auszusprechen, was ich über Ihre Handlungsweise denke.« – »Egoismus, nichts als Selbstsucht! Weil Adelheid mir gefällt, weil ich mein Haus, meine Gesellschaften durch ihre Schönheit schmücken will.«
    Die Fürstin fühlte ihre Hand sanft gedrückt: »Warum das wiederholen, was der Pöbel über uns urtheilt. Adelheids blühende Jugend gehört nicht in mein Krankenhaus. Sie erkannten es – und – ich gestehe es Ihnen, im ersten Augenblick schmerzte mich die Art, wie das theure Kind mir entführt ward; jetzt preise ich den Himmel, daß er es so gefügt hat, und – daß er Ihnen den raschen Entschluß eingab.« Die schönen Seelen verstanden sich; das vorhin versuchte Embrassement erfolgte wie von selbst. »Einen Fingerzeig des Himmels wollen Sie darin erkennen,« sagte die Fürstin. »Ich kann noch immer nicht umhin, mir einen Raub vorzuwerfen.« – »Lassen wir den Streit darüber, gnädigste Frau. Adelheid gehört in Ihr Haus, es ist meine aufrichtige Meinung. Der Legationsrath kann bezeugen, wie oft ich es aussprach. Bei mir wäre sie verkommen.« – »Sie spricht nur mit der größten Liebe von dem Guten, was sie durch meine Freundin erfahren.« – »Es thäte mir leid um das Kind, wenn sie unwahr würde.« – »Warum so selbstquälerisch. Sie wissen selbst, bis zu welcher Verirrung das Dankbarkeitsgefühl sie trieb.« – »Und doch hat sie mich nicht ein einziges Mal besucht.«
    Das hatte die Geheimräthin nicht sagen wollen; es war heraus, ehe sie es verschlucken konnte, und, was schlimmer, die Fürstin hatte es aufgefangen. – »Sie sind leidend,« sprach sie mit bewegter Stimme. »Und Sie überwanden sich, verließen Ihr stilles Asyl, und – Ich weiß ja, wie ich dieses Opfer zu schätzen habe.«
    Die Geheimräthin war wieder ganz Herrin über sich geworden: »Doch ist es nicht ganz so. Warum zwischen uns eine Verheimlichung? Überwindung kostet es mich, ja, sehr große, diese Festkleider wieder anzulegen. Ich erwarte auch nicht Erheiterung, noch suche ich Zerstreuung, denn ich betrachte es als eine Pflicht gegen mich selbst. Sie sehen also, mein Opfer ist reiner Egoismus.« – »Wie Sie da wieder täuschen wollen! Sie thun es um der Gesellschaft selbst willen, Sie erkennen die Pflicht, daß wir nicht uns, daß wir für Alle leben sollen.« – »Oder sie für uns!« rief eine Stimme in der Geheimräthin, die aber diesmal auf den Lippen erstarb. Die Gargazin musste den Sinn verstanden haben, so deutete ein Blick ihr an; es war ein merkwürdiges Verständniß zwischen beiden Frauen. Sie liebten sich gewiß nicht, aber zum Haß war für die Fürstin kein Grund. Sie sah sich um, ob Niemand lauschte. Der Legationsrath war unschädlich, er bildete eine Schutzmacht gegen die Andern.
    »Wir verstehen uns, glaube ich, besser, als wir einen Ausdruck dafür finden,« hub die Fürstin an, der Lupinus näher rückend. »Was ist uns die Gesellschaft? – Ich setze voraus, daß wir Beide jetzt über die kleine Rivalität recht herzlich im Innern lachen, ich meine die, welche die Leute uns anlügen. Ich gebe auch zu, daß in der Lüge etwas Wahres war. Wir spielten Schach miteinander, weil sie uns dazu nöthigten, zwangen. Genug, wir haben gespielt. Weiter war es nichts.« –

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