Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht
»Und Euer Erlaucht gewannen.« – »Die Erlaucht hatte nichts damit zu schaffen. Wir gingen unserm Penchant nach, und in einem Punkte stießen wir aneinander.« – »Ich gebe keine Gesellschaften mehr. Mein Haus ist ein Haus der Trauer geworden, mein guter Mann –« »Wird gewiß unter solcher Pflege genesen. Wer redet davon! Wir wollen ja nur unsere Gedanken über das Wesen der Geselligkeit einklingen lassen. Lieben wir sie etwa um ihrer selbst willen? Um daraus Belehrung, Trost, Hülfe zu schöpfen? Sind wir lüstern, wie die unsterblichen Götter im Olymp, die den Opferduft der Menschen mit Wohlgefallen einschlürfen sollen? Oder ist es bei uns die Neigung, das Verlangen, mit unsers Gleichen zusammen zu sein? Sehn Sie, wie unser Freund lächelt. Nicht wahr, das brauchen wir Beide nicht, wir haben Ressourcen in uns, um uns vor der Einsamkeit nicht zu fürchten.«
»Ich lächle nur,« sagte Wandel, »weil Sie von ›Ihres Gleichen‹ sprechen.«
»Und mit Ihrer Bosheit treffen Sie es. Wir zaubern das um uns, was uns doch nicht entgeht. Weil wir unter Thoren leben müssen, verschaffen wir uns einen kleinen Hof von allen Thorheiten um uns her. Wer dreist einer Gefahr entgegen geht, hat sie halb überwunden. Eine Welt
en miniature
sollen unsre Salons bilden. Was im großen, wirklichen Leben uns anwidert, das erscheint uns auf dieser Bühne gefälliger, weil wir damit spielen, es regieren zu können meinen. Am Ende bilden wir uns ein, dieser Mikrokosmus ist unser Werk, und wir hätten alle diese Puppen uns zum Vergnügen ausgestopft und in Scene gesetzt.«
»Man muß nur nicht die Drahtfäden merken lassen,« sagte der Legationsrath.
»Zum Vergnügen!« fiel die Geheimräthin ein, die aufmerksam gefolgt. »Wo wir wissen, wie Einer den Andern verredet, hier mit Lob ihn überschüttet, um, wenn er ihm den Rücken gedreht, ihn zu verspotten; wissen, wie die mit Honiglippen uns Kußhände zuwerfen, gegen uns kabaliren. Hier drückt ein Beamter dem andern die Hand, und empfiehlt sich seiner Gewogenheit, während die Entlassung oder Versetzung des zweiten schon in der Kanzlei ist, und er hat sie betrieben, um in seinen Posten zu rücken. Wo sie uns schön und geistreich finden, um sich nachher vor Lachen auszuschütten, daß wir es geglaubt! Die Tugend in Aller Munde, und die Kuppleraugen schleichen, um ihre Opfer sich auszusuchen. Nur die absolute Mittelmäßigkeit ist sicher, denn was hervorragt, worin es sei, ist den Pfeilen ausgesetzt. Sie zumeist, die wähnen, sie zu regieren. Man preist ihr Zauberfest man erhebt es beim Abschied in den Himmel, aber ehe sie nur in den Wagen springen, klagen sie über Langeweile, Zurücksetzung, gemischte Gesellschaft, daß die Wirthin es nicht verstanden, die Gäste zu placiren, sie klagen vielleicht über Hochmuth, Anmaßung, über das Essen und Trinken auch, Gott weiß, worüber nicht. Ich begreife, wie man mit diesen Puppen spielen, aber wie es ein Vergnügen sein kann, das bleibt mir ein Räthsel.«
»Ihre Kritik geht über die Gesellschaft hinaus,« sagte der Legationsrath. »Das Räthsel ist die Welt –«
»Und wehe, wer nicht mit ihm spielen kann.« rief die Fürstin aufstehend, denn neue Gäste waren im Vorzimmer eingetreten. »Wer auf diesem bunten, beweglichen Teppich nicht mit den Füßen einer Tänzerin wandelt, hier über Gegenstände springt, dort sie fortstößt wie Glaskugeln, der ist verstrickt, der ist verloren.« – »Es giebt noch einen andern Weg – wo man fest stehen kann –« entgegnete die Geheimräthin, indem sie auch aufstand. Es war ein Metallklang in der Stimme, wie ein Grabgeläut.
»Den Weg,« unterbrach die Fürstin, »den Weg haben Sie doch nicht gefunden!« Sie blickte ihr forschend ins Auge; als die Lupinus antworten wollte, rief die Gargazin, wie von etwas überwallt: »Sie hassen! – O. unglückliche Frau, der Haß ist ein zu fürchterliches Spiel für uns; der Haß hat einen unergründlichen Fonds, Sie wissen nicht, was da herauskommt aus der gähnenden Kluft – selbst der Schmetterling flattert nicht lange darüber –«
Sie ward unterbrochen. Ein freudiges »Ach!« musste sich aus ihrer Brust ringen, um eine andere Erscheinung zu begrüßen, wir wissen nicht, wen? Es ist uns auch gleichgültig: der unerwarteten Erscheinungen, die alle aus dem Fonds ihrer Liebe mit einem gleichen Ton der freudigen Überraschung bewillkommt wurden, waren viele. Die Lupinus aber hätte, noch nicht in die Gesellschaft eingeführt, allein gestanden,
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