Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht
lesen, und hörte erst auf, als es zu Ende war.
Du mein Alles! Ja. die böse Frau hat Recht, Du darfst mich nicht wiedersehen. Die Frau ist nicht böse. Wer Dich lieb hat, ist gut. Wer Dir Schmerzen sparen will, ist ein Engel. Nein, Du sollst mich nie mehr sehen. – Vergieb mir, Du mein einzig Geliebter, daß ich darum kam. Nur darum – mein Kopf brennt mir, ich weiß nicht, was ich schreibe. Ich sah Dich nur unglücklich, nun wollte ich Dich glücklich sehen. Ist das auch eine Sünde? – Es sollte meine einzige letzte Freude sein. Mit einer einzigen Freude aus der Welt gehn, ist das zu viel gefordert! – Sie sagte – ach Gott, ich klage sie nicht an. Wahr und wahrhaftig, Louis, bei Allem, was Dir theuer ist, glaube mir, ich kam nicht, um von Dir zu pressen, nicht, um Dein Glück zu stören – ich Dich stören! – Und Du sollst mich auch nicht für eine ausverschämte Person halten, die Dich aussog und es lüderlich verbracht hat, und wenn das Geld fortgerollt, kommt sie wieder. Glaube ihr nicht, Louis, und darum schon muß ich Dir schreiben. Ich vergebe ihr auch das, denn sie hat's nicht gesehen, wie ich damals aus dem Thore wankte. Ich glaubte, die Luft würde es gut thun, aber die Luft that's nicht gut. Irgendwo, ich habe den hässlichen Ort vergessen, blieb ich liegen – nein, ich wollte da nicht – draußen auf der Landstraße aber fiel ich um, da hoben sie mich auf einen Leiterwagen und fuhren mich rein, in ein großes Haus. Ach, die hässlichen Gesichter, wie sie sich stritten; Der Bürgermeister war sehr zornig, er wollte mich wieder aufladen lassen und zur Stadt hinaus, Gott weiß wohin. Sie fluchten. Ich habe Dich fluchen gehört, aber so nicht. Einer schrie, das gäbe eine Untersuchung und mache noch mehr Kosten. Aber wie kommen wir zu der Last! schrieen sechs Andere. Sie müssen's uns ja vergüten auf Heller und Pfennig! – Eigentlich müsste der Abdecker auch solche kriegen! lachte Einer. – Louis! Louis! ich lag da, sinnlos, starr, wie ein gefallen Thier, um das die Raubvögel sich streiten. Wer das erlebt – der hat kein Recht mehr auf dieser Welt. Und ich sollte noch Dein Glück stören wollen! Endlich hieß es, man muß doch was finden, wo sie hingehört, und dann hätten sie mich wieder auf den Karren geladen, und das hätte ich nicht ausgehalten; es wäre wohl so am besten gewesen. Aber als sie darauf suchten, fanden sie Dein Geld. Hätte ich schreien können: es gehört ja Dir, hätte ich es ihnen fortreißen können. Aber ich konnte keinen Finger rühren, keinen Laut rausbringen. Da ward es stille: sie schmunzelten und führten wieder hässliche, lustige Reden. Der Inspektor sagte, die wolle er schon gut und lange pflegen. Da ward mir das Haar geschoren, da stürzten sie kaltes Wasser über den Kopf mir, o, es war doch immer so heiß! Da sah ich immer Dich, wenn mir wohler ward. Du zucktest die Achseln und sagtest: Sie ist doch auch eine Kreatur Gottes. Ach, Du warst nur wie ein Nebel auf dem Berge. Wärst Du in Person dagewesen, Du hättest ihnen wohl gesagt, daß sie's sanfter machten, die rohen Männer, die mich bei den Armen und Beinen in den Badekübel warfen. Es that weh, aber ich fühlte es ja nur halb.
»Ich ward gesund. Gott weiß wozu. Sie gaben mir ein langes Papier, das war meine Rechnung, und den Geldbeutel, der war ganz klein geworden. Louis, ich hatte noch keinen Groschen davon ausgegeben. Ich wanderte nun nach meiner Vaterstadt. Unterwegs habe ich nicht an Dich gedacht, nur an meinen alten Vater, und was ich ihm sagen wollte, wenn ich vor ihm auf die Knie stürzte. Ich wusste es Alles auswendig. Ich Habs ihm aber nicht gesagt. – Als ich durch's alte Thor kam, trugen sie ihn heraus. Ich stieß einen Schrei aus, sie stießen mich fort. Ich lief ihnen nach. Als sie die Bahre auf dem Kirchhof niedersetzten, drängte ich mich durch; da warf ich mich auf die Knie, wollte es dem Todten sagen, was ich dem Lebendigen nicht mehr sagen konnte. Da haben sie mich erkannt. Da wiesen sie mit den Fingern auf mich, und zischelten. Dann murrten sie laut. Endlich sah ich Gesichter, o Herr Gott, dem Bürgermeister und dem Inspektor seine, die waren freundlicher, hätten sie doch nur laut geflucht! Aber der Herr Prediger that es. Als mich der Büttel am Armgelenk gefasst und aufgerissen – an der eingefallenen Kirchhofsmauer ließ er mich wenigstens, da durfte ich knieen – da hörte ich des Herrn Predigers Rede. Mich ließen sie keine Erde ihm in die Gruft nachwerfen, aber auf mich
Weitere Kostenlose Bücher