Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht
war in einer heroischen Stimmung, und wünschte sie durch einen Auftritt nicht gedämpft, der ohne sentimentale Regung nicht abgehen konnte.
Oben auf der Treppe hörte er eine zänkische Frauenstimme, er glaubte sie zu kennen; eine andere schüchterne, die er nicht kannte. Eine Mädchengestalt kam ihm, die Treppe herab, entgegen: ihre bestaubte Kleidung, ihr schwankender Tritt schien von Ermüdung, vielleicht nach einer weiten Fußwanderung zu sprechen. Ihr Gesicht sah er nur halb, sie hielt das Taschentuch vor. Als sie ihm rasch vorüber war, brach das unterdrückte Weinen rasch heraus. Unten noch eine Weile zaudernd, stürzte sie nach einem noch heftigeren Aufschluchzen zur Hausthür hinaus.
Die Wirthin kannte Waltern. Der Herr von Bovillard war nicht zu Hause, aber er könne wohl jeden Augenblick kommen. Als Walter seinen Wunsch ausgesprochen, ihn zu erwarten, hatte sie kein Bedenken, ihm die Wohnung aufzuschließen und Licht anzuzünden. »Denn,« setzte sie schmunzelnd hinzu, »ich weiß wohl, wen ich einlassen darf, und wer mir nicht über die Schwelle darf. Nein, machte mir die Person nicht ein Lamento. Der Herr van Asten müssen's ja noch gehört haben. Aber, wenn sie noch mal kommt, laß ich die Polizei rufen.« – »Wer ist sie?« – Die Wirthin verzog noch spitziger den Mund: »Ja, wer wird sie sein! – Sie wird keine andere geworden sein, als sie damals war, wir aber sind andere geworden, und das müsste solche Person doch bedenken Und diese vor Allem. So nobel und honorig haben Herr von Bovillard sich gegen sie benommen, daß es ihre verfluchte Schuldigkeit wäre, nun uns nicht mehr zu belästigen. Aber nein« – Walter wollte nichts davon hören, aber die Frau wollte noch reden. Sie achtete sein abwehrendes Zeichen nicht. »Nein, Herr van Asten, von dieser grade ist's ausverschämt. Sie hat dazumal hinten im Stübchen auf dem Hofe gewohnt, das ihr der gnädige Herr chambregarnirt hatte. Gott weiß, was er für einen Narren an ihr gefressen. Sie ließen zwar mal fallen, das Mädchen hätte Ihnen das Leben gerettet. Na, was das sein wird, kennt man schon. Ein paar Ritze hat sie allerdings an der Schulter. I Gott, solche Mädchen lassen sich auch nicht gleich für Einen todtstechen, Ich kenne sie ja. Ist's nicht Der, so ist's ein Anderer.«
Waltern durchzuckte eine Erinnerung. Erst später hatte er den Zusammenhang der Geschichte gehört. Da war es, wo.Louis Adelheid zuerst gesehen! Mit einem Seufzer, den die Frau nicht hören sollte, warf er sich auf das Kanapé. Die gute Frau hatte ihn aber doch gehört. »Sie haben schon recht, über solche Undankbarkeit muß man seufzen. Er hatte sie von Kopf bis zu Fuß gekleidet. Sie hatte ja keinen ganzen Strumpf auf dem Leibe, als sie aus dem Prison kam. Und dann, wie's nun genug war. hat er ihr Geld auf den Weg mitgegeben, ich will gar nicht sagen, wie viel, denn ich weiß es nicht; aber wenig war's nicht, denn das Halsband von der seligen Frau Mutter und die emaillirte Uhr gingen drum zum Pfandjuden, dem alten Joel. Er hat's mir selbst gezeigt, nämlich der alte Joel; er war kein übler Mann, und schund die jungen Leute nicht so, wie jetzt sein Sohn. Aber geben mussten wir's, da hätte auch gar keine Raison geholfen; denn er hat ein gar zu gutes Herz. Diese Ohrringe habe ich auch von ihm, aber Alles in Ehren. Als Sie von Ihrer großen Reise retournirten, und krank wurden, ich habe ihn gepflegt, rechtschaffen, das kann ich wohl sagen, und der alte Geheimrath haben's auch gesagt: wenn sein Sohn immer mit so rechtschaffenen Weibspersonen zu thun gehabt hätte! Jetzt sind wir nun, Gott sei Dank, besser situirt, und wenn uns mal was fehlt, brauchen wir nicht zu dem Judenschinder.«
»Das ist schon lange her, daß er das Mädchen fortschickte?« unterbrach Walter, eigentlich nur, um den Redefluß zu unterbrechen.
»I freilich, das war ja – warten Sie mal – nun, das thut nichts zur Sache – richtig, wie sie ihn todtschießen wollten, er ward aber nur eingesperrt. Das Mädchen machte da noch Spektakel, nämlich, das muß ich sagten, ganz in der Stille. Sie weinte auf ihrer Kammer, daß es zum Herzbrechen war. Manchmal glaubte ich doch, sie würde – wenn ich sie aufrichtete, sank sie zusammen. Mein Kind, das hilft doch nun mal nichts, sagte ich, raus musst Du, fort musst Du. – Und da packte sie ihre Sächelchen ins Bündelchen. Na, wenn ich denke, wie sie die Treppe runter ging, und unten blieb sie noch stehen und japzte nur so.«
»Und seitdem hat sie
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