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Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht

Titel: Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willibald Alexis
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warf der Herr Prediger – das kann ich nicht wieder schreiben. Und es war nicht wahr – ich habe meinen Vater nicht umgebracht! – Und die Blicke nachher, wie sie an mir vorübergingen! Gott sei Dank, dann ward es frei, der stille Abend, da lag ich über seinem Grabe, und der Lindenbaum fluchte nicht, in seinen Blättern säuselte es wie süße Lieder, und ich schlief ein, bis das Morgenroth mich aus dem Frieden weckte. Um die Mauer schlich ich von hinten nach dem Hause, wo er starb, wo ich geboren bin. War denn das ein Verbrechen, daß ich es zum letzten Mal sehen wollte! Bürgerfrauen hatten mich bemerkt. Der Rathsdiener, mit dem Schild auf der Brust, kam und sagte – ach, was er mir sagte, ich weiß es nicht: von lüderlichem Gesindel und auf die Finger sehen, und hinausbringen, und ich hätte kein Heimatsrecht mehr!«
    »Nein, Louis, ich habe keine Heimat; wie ich da am rauschenden Wasser stand, da sahen keine rothen Gesichter heraus vom Bürgermeister, und nicht die hässlichen spitzen der Bürgerfrauen – und da – da hörte ich, daß Du glücklich wärst – ich wusste es schon, unter der Linde auf dem Kirchhofe hatte ich Dich gesehen, und die Herrschaften, die im Wagen vor der Schenke schwätzten, derweil ihre Pferde Muth tranken, und ich trank auch Muth, sie sagten mir nichts Neues – und da stach es mich, und trieb mich, Dich wollte ich noch einmal glücklich sehen. – Und das hab' ich nun auch aufgegeben, da ich weiß – – «
    Hier waren einige Zeilen von Thränen verwischt.
    »Das Geld brauchst Du nicht – das kümmert mich auch nicht mehr, – und mich wirst Du vergessen – aber wenn ich nur etwas wüsste, was Dir recht lieb wäre, ich wollte Alles thun, mir einen Finger abschneiden, mich wieder verkaufen, wenn ich nur wüsste – Und nicht wahr, das war nicht unrecht von mir. Manche hat sich betrunken, ehe sie ins Wasser sprang. Ich wollte ja nur Dich noch einmal sehen, Dich sehen, wenn Dein schön Auge so recht aus voller Seele lacht. – Nein, ich werde es nicht mehr sehen – Lebe wohl, Du mein Alles –«
    Die Unterschrift war wieder von den Thränen ausgelöscht. Aber dahinter noch einige kaum lesbare Zeilen: »Aber ich muß Dich sehen – hilf mir Gott, wenn ich mein Wort breche. Wenn Du in die Kirche gehst mit ihr. Ganz von ferne – sieh Dich nicht um, Du wirst mich nicht entdecken. Trinken muß ich den Strahl aus Deinem Auge, und dann –«
    Die letzten Worte gingen in ein fieberhaftes Gekritzel über, Walter war von der Lektüre aufgeregt; aber sein Entschluß schnell gefasst. »Es giebt doch etwas auch neben dem Vaterlande, um was der Mensch sein Höchstes einsetzt, sich selbst. Und wo ist der Sittenrichter, der es kalt verdammt?« Er nahm das Papier, salzte es und that es in seine Brieftasche: »Ich will ihr Testamentsvollstrecker sein. Wenn sie nur etwas wüsste, was ihm recht lieb wäre, was sie zu seinem Heile thun könnte! Ich übernehme es für sie. Sein Liebesglück darf durch diese Erinnerung nicht vergiftet werden. Was könnte er ihr helfen, ohne ihre Liebe zu erwidern! Sie bleibe vor ihm verschwunden, spurlos. Die Wirthin werde ich instruiren. Was er – ohne Liebe, aus Erbarmen für sie thun könnte, kann ich ebenso gut.«
    Seinen Vorsatz, auf Louis' Rückkehr zu warten, um mündlich der Überbringer der frohen Botschaft zu sein, gab er jetzt auf. Der Freund weilte zu lange bei seinem Glück. Er nahm Papier und Feder und theilte ihm kurz und klar, was seiner warte, was von ihm gefordert werde, mit. Er stellte sich in den Hintergrund und ließ den neuen Minister selbst den sein, der zuerst sein Auge auf Louis Bovillard geworfen, für sich die bescheidene Rolle eines um Rath Befragten vindicirend, welcher nur aus vollem Herzen die Eigenschaften bestätigen können, welche der Minister bereits in ihm entdeckt.
     
Einundsiebenzigstes Kapitel.
     
Ein volles Bekenntniß.
    Im Hause der Fürstin hatte sich seit jenem Gesellschaftsabend Vieles ereignet, von dem wir nicht Zeuge waren; es drückte sich auf den Physiognomien ab. Adelheid war heut beim Theetisch eine Hebe; sie ging nicht, sie schwebte. Sie schien fortwährend zu singen. Man hörte es nicht, aber man fühlte es. Ihr Gesicht hatte einen andern Ausdruck. Der Legationsrath bemerkte es gegen die Fürstin.
    »Ei!« sagte die Gargazin mit einem besondern Blick. »Ich glaubte, dafür hätten Sie keine Augen?« – »Für die Schönheit!« – »Nur für die, welche Sie zergliedern können. Adelheid giebt das den Reiz,

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