Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht
Ziel haben sie Alle erreicht, die vielen Künstler, ich bin wie der Vogel, den man aus dem Neste nahm und buntes Gefieder ihm anklebte. Die, denen das Gefieder gehört, erkennen ihn doch nicht an, sie spotten still über den Eindringling, aber zu den Seinen darf er auch nicht zurück. Er gehört da nicht mehr hin.«
»Welche Phantasieen, meine Adelheid!«
»Ich sehe nur zu klar, und nur zu lange ließ ich mich von der süßen, eitlen Gewohnheit einschläfern, daß ich die Augen nicht aufschlug, daß ich die Stimme nicht hörte, die im Innern immer deutlicher rief. Jenes abscheuliche Weib – o sie war noch die Beste, sie wollte mich nur einfach verderben; da war ich unschuldig: wie der Vogel, der aus dem Neste flattert, fiel ich in das Netz, das sie ausgespannt. Aber die Andere, o, mein Geliebter, ich fühle das Gift, das sie in meine Adern spritzte, es schleicht noch jetzt, es zehrt noch.« – »Die Geheimräthin wollte Dir wohl!« – »Sie will, sie kann Niemand wohl wollen, glaube es mir, Louis. Sie hat kein Herz; darum wird ihr unwohl, wo ein Herz warm schlägt. Ich las von einem Gespensterthier, das Nachts sich auf die Schlafenden legt und das Blut ihnen aussaugt. Sie saugt auch das Blut aus, mit ihren spitzen Reden, ihren spitzen Blicken. Ich wäre schlecht geworden, Louis, das fühle ich, ich ward schon eine Andere, wie ein in Eis getauchtes Tuch warf sie's um die Brust, wenn edlere Empfindungen aufzuckten.«
»Was wollte sie mit Dir?« – »Martern will sie, sie muß martern, was glücklicher ist. Sie konnte den Kanarienvogel quälen, wenn er zu lustig schmetterte; sie beneidete das arme Thier im Käfig, sie marterte ihre Domestiken, ihren Mann, sich selbst auch, wenn sie sich ertappte, daß sie lebhafter gewesen, als sie scheinen wollte. O, Liebster, es ist entsetzlich, wenn ich daran denke, ein Traum, und mich schaudert, er ist vielleicht noch gräßlicher, als ich zu träumen wagte!« – »Und alle Welt bewundert sie.« – »Die Welt hat Recht. Diese Frau und dieser Mann dazu –« »Welcher?« – »Der Legationsrath. – Sie sind Beide – hohl, verrathe mich nicht, Louis, ausgehöhlte Gespenster. Sie habe« alles menschliche Gefühl aus sich gesogen, gepresst. – »›Man muß die Empfindungen und Regungen, die uns stören, aus sich heraus destilliren‹, hörte ich ihn einmal sagen, und das haben sie, sie haben daraus präparirt die schöne Glätte, den glänzenden Firniß, den die Welt bewundert.« – »Mein Gott, woher kam Dir die Erkenntniß?« – »Weiß ich's? Sie hielten mich für das Schooßkind, das man ausputzt, in den Armen schaukelt, mit Glanz und Süßigkeiten nährt, von dem man alles Unangenehme fern hält, auch die Gedanken – und die Gedanken kamen doch, von selbst – ich war unaussprechich unglücklich!« – »Dich mißhandelt?«
Sie nickte: »Es waren unsichtbare, feine Geißelschläge, die Luft fühlte sie kaum. Wie ein feiner, ätzender Staub auf die Lunge geworfen.« – »Und Du musstest es dulden?« – »Wie schließt man das Auge vor dem Zucken des Blitzes, das blaue Licht schießt durch die geschlossenen Lider. – Ich musste es dulden, ohne ihr entfliehen zu können, und es war mir auch nicht erlaubt zu klagen. Und ich musste immer lügen – lügen von unermesslicher Dankbarkeil; wenn ich es nicht ausgehalten, wäre ja das Urtheil der Welt über mich zusammengebrochen –« Er warf, die Hände faltend, sein Gesicht in ihren Schooß: »Und daran war ich schuld!« – »Nein, klage Dich nicht an. Es war eine Kette von Bestimmungen. Aber untergegangen wäre ich in der Lüge, das fühle ich. Je größer sie ward, so kälter schlug's mir ans Herz.« – »Gott sei Dank, eine Frau, die warm fühlt, nahm Dich zu sich.«
Adelheid war aufgestanden. Sie schüttelte den Kopf. Eine hohe Röthe überzog ihr Gesicht, als sie sich zu ihm umwandte, die Hände sanft auf seine Schultern legte und seine Augen küsste: »Laß uns davon nicht sprechen, Liebster.« – »Du zweifelst an der Güte der Fürstin?« – »Meine Augen wurden geöffnet, wunderbar klar liegt es vor mir; Blicke, um die mich Niemand beneiden darf. Das ist die entsetzliche Schule der Lupinus. Nein, mein Geliebter, laß uns davon schweigen.« – »Auch hier nicht glücklich?« – »Ich werde glücklich, denn ich werde wieder ich selbst.« Er blickte sie fragend an.
»Bin ich denn mehr, als ich dort war! Da wollte man den seltenen Vogel in ein Bauer sperren, dort flatterte ich an einer unsichtbaren Kette,
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