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Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht

Titel: Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willibald Alexis
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gewählt gekleidet, sie spricht und denkt ebenso, alles Rohe und Nackte überkleidet.« – »Darum erschien sie mir roh, nackt, scheußlich. – Wandel, ich möchte Sie einmal im Traum sehen.«
    Der Haushofmeister war schon ein Weile näher getreten, als er sich jetzt über den Stuhl der Fürstin neigte und einige Worte ihr ins Ohr flüsterte. Die Fürstin ließ die Arbeit sinken, sie stützte den Kopf im Arm. Die verbissenen Lippen sprachen von einer unangenehmen Nachricht. Der Haushofmeister flüsterte sie auch dem Legationsrath zu: »Er ist eben verschieden!« – »Le pauvre diable!« – sprach Wandel, die Achsel zuckend. »Hat er noch viel gelitten? Ich meine, hat er noch wie neulich phantasirt?« – »Er warf sich noch einige Male unruhig, kreuzte sich, wiederholte den Namen der Fürstin, japste ein paar Mal auf, als wollte er etwas sagen. Solchen Kutscher kriegen wir nicht wieder!« hatte der Haushofmeister erwidert.
    »Warum musste auch jetzt gerade diese Störung kommen?« sagte der Legationsrath und beugte sich über den Lehnsessel der Fürstin. »Wissen Sie theuerste Freundin, mich schaudert doch zuweilen vor der Leibeigenschaft.« Sie blickte verwundert zu ihm auf.
    »Ihre beredte Vertheidigung hat mich allerdings von der Naturnothwendigkeit des Institutes überzeugt. Ich erkenne, welche unaussprechliche Wohlthat sie für diese Geschöpfe, Familien, ja diese ganzen Völkerschaften ist, die sich über ihre Naturdumpfheiten nicht erheben mögen. Ja, es ist ein berauschendes Gefühl für die von Gott dazu Erwählten, für diese Armen, Verlassenen, Urtheilsunfähigen ihr Alles zu sein, Vater, Mutter und Vormund, für sie zu fühlen und zu denken, die Sorge für unser eigen Wohl hintenanzusetzen, um für Hunderte und Tausende von Seelen zu sorgen, welche die Vorsehung in unsre Hand legte. Von dieser Seite erscheint auch mir die Institution eine wunderbare, heilsame, aber der Exceß der Gefühle von der andern Seite hat doch etwas Bedenkliches.« Sie verstand ihn nicht.
    »Was hat diesem Menschen den Tod gebracht, nachdem er in der Genesung so vorgeschritten, der Arzt hatte zuversichtlich seine völlige Heilung versprochen, als die Angst, Gewissensbisse kann man sagen, daß er so lange nutzlos liegen musste, ohne die Güte seiner Herrin durch seine Dienste erwidern zu können. Wie durchzuckte es ihn. als er hörte, daß Euer Erlaucht einen Berliner Kutscher interimistisch angenommen. Er biß sich in die Lippen und ballte die Hand, dah ein Anderer, ein Fremder, seine geliebte Herrin fahren sollte. Wir verbargen es Ihnen, er sprang nachher heimlich auf, kleidete sich an, und war schon auf dem Wege nach dem Stall. Wir kamen noch zur rechten Zeit. Als man ihn wieder ins Bett brachte, überfiel ihn der Parorysmus; er phantasirte nur von Peitsche und Pferden, er umklammerte sein Kopfkissen, wie man Einen erwürgt, und nannte es Christian. Nenne man es Eifersucht, Brodneid, es war etwas Edleres, meine ich, aber von da ab gab der Doktor die Hoffnung auf. Es thut mir leid, von einem Todten es zu sagen, aber der Mensch hat sich selbst umgebracht. Ein Selbstmord aus Pflichtgefühl. Diese Excesse des Gefühls, Sie mögen mich darum tadeln, aber ich kann sie nicht gut heißen. Etwas Egoismus ist jeder Creatur nothwendig, oder sie hört auf zu existiren. Selbsterhaltungstrieb und einige vernünftige Überlegung wären Sie auch Ihren Leibeigenen einzuimpfen ihnen und sich selbst schuldig.«
    Die Fürstin warf ihm einen dankbaren Blick zu. Es giebt Momente, wo ein Kluger von einer groben, handgreiflichen Lüge angenehmer berührt ist, als von einer feinen, die wie ein lauer Abendwind sich als Wahrheit in sein Herz zu schmeicheln sucht. Ihr zweiter Blick war auf die Andern gerichtet; aber sie waren schon verschwunden. Es war ihr lieb: »Adelheid darf nichts davon erfahren,« sprach sie, zum Haushofmeister sich umwendend.
    »Sie sind nun ganz
d'accord,
wie Sie es wünschen?« warf der Legationsrath hin. – »Heut im Thiergarten scheint die letzte Scheidewand gefallen.« – »Welche?« – »Die Affektion für ihren Lehrer. Sie haben Recht, Wandel, es giebt auch Excesse einer geistigen Leibeigenschaft.« – »Ich hielt diese fürüberwunden seit jenem Abend.« – »Das Bekenntniß der Liebe stöhnte noch immer unter den Fußklammern des Gewissens. Was der Mensch sich selbst quälen kann! Sie hat ihm bekannt, wen sie um seinetwillen geopfert, das hat einige Thränen, Schluchzen, platonische Herzschläge verursacht, denn die

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