Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht

Titel: Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willibald Alexis
Vom Netzwerk:
zerdrücke ich oft eine stille Thräne, wenn ich im Hause bin, wo ich nicht mehr zu Hause bin, wenn die jüngern Schwestern mich mit neugierigen Fragen bestürmen, über die ich lächeln muß. Wäre ich wieder so! ruft es, aber ich möchte doch wieder nicht so sein, ich könnte nicht wieder so sein, – es ist eine Kluft gerissen, und ich gehöre hierhin, nicht dorthin. Das ist der Fluch –«
    »Nicht Deiner Schuld.«
    Sie blickte sinnend vor sich hin und schüttelte langsam den Kopf: »Wenn mein Herz blutete und springen wollte unter der schillernden Maske, log ich nicht, indem ich nicht aus der Rolle fiel? Mischte sich nicht da etwas Falschheit unwillkürlich in mein Denken und Thun? Ich log mir Entschuldigungsgründe vor. Die Phantasie ist unerschöpflich. Ich log mir vor die Vortrefflichkeit meiner zweiten Mutter, der Gesellschaft, der Welt, bis es nicht mehr ging, bis das Bewusstsein herausplatzte. Schon da an dem schrecklichen Orte! Dein Blick hatte mich verwundet, aber die Wunde that nicht weh. Hatte sich Dein Gesicht mir nicht eingeprägt! Es durchschauerte mich mit Angst, als Du mich verfolgtest, aber es war eine bange, süße Angst, bis an jenem Abend, wo Du –«
    »Da schon! Entzückendes Bekenntniß!«
    Sie nickte, die Hände vorm Gesicht. »Ja, da schon, wie ich Dich mit kaltem Mitleid von mir stieß, Dir verzieh unter der Bedingung, daß Du mich nicht wieder sähest, als ich Dir sagte, ich könne Dich nie lieben, es war schon eine Lüge. Ich presste das Feuer mit aller Gewalt in die Brust zurück. Ich log mir vor, daß es nur Mitleid, daß ich Dich verabscheue, und ich log weiter. Es war die Angst vor Dir, vor mir selbst, ich wollte mich retten aus dem Strudel, aus dem Haus, Selbstsucht war's, als ich an Walters Brust bekannte; ja es war Liebe, aber nicht ihr Sonnenschein, ein süßes Mondenlicht, die Liebe der Achtung, der Dankbarkeit, der Bewunderung. Jahre sind über diese Lüge hingegangen, sie machte mich bitter, unzufrieden, ich musste mich selbst verachten, und – ist das keine entsetzliche Schuld, daß ich zwei Jahr das Lebensglück des edelsten Mannes erschüttern musste? – Schuld gegen Schuld, Geliebter, wir haben Beide zu büßen und gut zu machen. Einer muß sich am Andern stützen, aufrichten, – Einer dem Andern Muth zusprechen. Das Leben hinter uns begraben und wir fangen Beide ein neues an.«
    Von der düster brennenden Kerze war ein verglimmendes Dochtstück nach dem andern gefallen; hier ohne Schaden auf die Marmorplatte des Tisches. Auch war es nicht dunkel im Zimmer, der Mond und das dämmernde Morgenlicht erhellten es. »Das Licht ist mein Vaterland!« murmelte Louis, in das Licht starrend.
    Adelheid fühlte wunderbare Kraft; er schien zerknickt. Mit wie leuchtenden Blicken er auch ihren Reden zugehört, das Leuchten verschwand allmälig, das Auge ward matt, ein wehmüthiges Lächeln spielte um seinen Mund, und die Augenwimpern senkten sich wie die eines Einschlummernden.
    Und sie hatte doch, eine begeisterte Prophetin, gesprochen. Den Weg zum neuen Leben hatte sie ihm gezeigt – es gab nur einen – das Vaterland. Und das eine Vaterland war ein größeres geworden. Es war nicht heut erst der Gegenstand ihres Gesprächs. Warum hatte Louis immer durch ein stilles Nicken, was eben so gut dem schönen Munde und den schönen Worten galt, geantwortet? Er seufzte tief auf: »Wo ist denn Deutschland?«
    »Ich spreche nicht von dem Traum hinter uns, Lieber,« sagte sie lächelnd, »nicht vom Kyffhäuser und der Kaiserherrlichkeit. Du moquirst Dich darüber. Das deutsche Vaterland liegt vor uns –« »Das Walter Dir malte,« unterbrach er. – »Walter und Hunderte und Tausende unserer Edelsten!« – »Was in der eigenen Brust des Schwärmers lebt, überträgt er auf die Millionen Kreaturen, in denen nichts lebt, als der Gedanke, wie sie morgen satt werden.« – »Als wüsste ich nicht, wie Du voriges Jahr in edler Begeisterung selbst Deinen Vater aufwecktest!« – »Damals! Seitdem – Gieb die Hoffnung auf. – Dies Volk erwacht nicht wieder, es ist kein Volk. – Deutschland ist ein Traum der Dichter!« – »Und eben floß Palms Blut dafür. Es raucht zum Himmel.« – »Und ist übermorgen vergessen.« – »Ueberall knirscht die verhaltene Entrüstung. Greise, Knaben, schwache Frauen, kannst Du ihre Stimmen verleugnen, die Thränen der Wuth, die am stillen Herde geweint werden!«
    »Es lebt nur Einer,« rief er aufstehend – »er, der Gigant, vor dem diese Misere daliegt,

Weitere Kostenlose Bücher