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Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht

Titel: Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willibald Alexis
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Rivalen waren Freunde, aber sie sind auf gutem Wege.«
    Des Haushofmeisters Verbeugung war eine Frage, welche die Fürstin verstand. »Wollen Sie mit mir – den guten Paulowitsch sehen?« fragte die Fürstin den Legationsrath. Wandel schien ungewiß, welche Antwort sie erwartete: »Man hat es der Geheimräthin Lupinus verdacht, daß sie die Leiche ihres Dieners wie die eines Familiengliedes pflegte und schmückte. Es ist hierorts nicht Sitte.« – »Man muß sich in die des Ortes fügen,« sagte befriedigt und laut die Fürstin, und richtete den Blick nach oben. »Ich werde den treuen Paulowitsch noch oft sehen. Den irdischen Qualen enthoben, schwebt sein verklärter Geist in die Räume des Lichtes. Ob es da Hohe und Niedere, ob Herren und Leibeigene giebt, ob wir Alle wie Atome in der Seligkeit verschmelzen, die nichts Gesondertes duldet, alle Accorde in dem großen Hallelujah, Glockentöne in der ewigen Harmonie!«
    Sie sprach es, sich selbst anregend, mit silberreiner Stimme. Aus dem andern Zimmer respondirte das Klavier, in Phantasien, die der Stimmung entsprachen; ein ernster Grundton, wie das Wogen des Meeres, aber wie Schaumwellen sprühte die Freude dann und wann auf. Es war Adelheid.
    Wandel hatte, um der Stimmung auch zu entsprechen, die Hände vor sich gefaltet. Als die Fürstin es bemerkte, trat sie an ihn und riß seinen Arm zurück: »Das sollen Sie nicht. Sie können gehen.« Er schien einen andern Befehl erwartet zu haben, aber mit einer spitzen Stimme wiederholte sie: »Gute Nacht, Herr von Wandel, ich will im Thomas a Kempis lesen. Die Lektüre interessirt Sie nicht.«
    Als der Legationsrath langsam die Hintertreppe hinunter über den Hof ging, sah er auf dem Balkon, der nach dem Garten führte, Louis Bovillard auf einer Bank ruhend. Unter Myrthen- und Orangestöcken schien er, den Kopf im Arme, auf die Töne im Zimmer zu lauschen. Oder auch nicht. Als der helle Mondenstrahl, hinter einer Wolke vorkommend, auf sein Gesicht fiel, wäre der Beobachter vor dem finstern Ausdruck erschrocken, wenn es in Wandels Art gelegen hätte, zu erschrecken. In den einsamen Gängen des Thiergartens erst hatte Louis erfahren, wem er sein Schönstes geraubt. Es war eine Gewitterwolke am klaren Horizonte; aber der dunkle Schatten, der auf seine Stirn fiel, zeigte die Gegend ringsum nur um so lachender. Welche Bekenntnisse entlockte er der Geliebten! Darum ihre Kälte, Scheu; und nun hatte ein Wort sie frei gegeben, Alles gelöst, sie wollte ihm Alles geben, was sie so lange ihm vorenthalten. Und was hatte er denn dem Freunde geraubt? Sein Schönstes, ja, aber nicht sein Alles. Hatte nicht Adelheid gestern einen Brief empfangen von Walter, einen freundlich heitern, eine Urkunde war es, worin er das ihm anvertraute köstliche Gut, wie er es nannte, der Eigenthümerin zur freien Disposition zurückstellte. Mit welchem Scharfsinn hatte er auseinandergesetzt, daß er nie ein Recht darauf gehabt, daß es höchste Undankbarkeit sei, was die Dankbarkeit im überströmenden Gefühl des Augenblicks auf den Altar legt, als verfallen anzunehmen, als unwiderrufliches Eigenthum. Hatte er nicht klar auseinandergesetzt, daß er nicht die Eigenschaften besitze, um Adelheid so glücklich zu machen, wie sie verdiene, dahin, in die glänzenden Höhen sie zu führen, wozu ihre Schönheit, Natur, die sichtliche Fügung des Himmels sie bestimmt. Er sei ein stiller, sinnender Mann, sie berufen zu glänzen. Sein Verdienst wäre vielleicht, daß dieser Glanz ein echter werden müsse, daß er sie gehütet vor dem Flitter und Schimmer, daß er die Hochgefühle einer deutschen Jungfrau in ihr geweckt; darauf sei er stolz; aber hatte er sich nicht zugleich angeklagt, daß er diese Überzeugung, gewaltsam unterdrückt, daß er so lange sich getäuscht, daß er, schon mit dem Bewusstsein, wie ihre Liebe nur Achtung sei, ein Pflichtopfer, sich fort und fort getäuscht, es könnten doch andere Gefühle für ihn zum Durchbruch kommen, und daß nicht ein freies Opfer von seiner Seite, sondern erst ein Zufall, ein Impuls des Momentes, die lange Kette des Truges gesprengt habe? Und hatte er nicht endlich versichert, auch er fühle sich jetzt frei, glücklich, sie dürfe um ihn nicht sorgen, denn er sei nun zurückgegeben der heiligen, ernsten, höchsten Pflicht des Mannes, ganz seinem Vaterland zu leben.
    Mit Begeisterung hatte Adelheid den Brief vorgelesen, dort auf der unter Brombeeren und Hagebutten versteckten Birkenbank, während der Wagen der

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