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Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht

Titel: Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willibald Alexis
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Million! Na – sie werden Ihnen auch nicht so viel gekostet haben.« – »Es kommt darauf an,« entgegnete der Legationsrath mit einem eigenen Zucken um die Lippen. »Was haben Herr Legationsrath denn da an der Tafel ausgerechnet? Thaler und Verstand ist ein kurioses Additionsexempel.« – »Phantasiebelustigungen! Vielleicht Geschäfte, die ich vor habe.« – »Das sind hohe Summen.« – »Ich habe größere Geschäfte gemacht.« – »Das Facit des einen ist fünf und neunzig Tausend, das des andern hundert und achtzig Tausend ohne den Krimskrams dran von unbekannten und irrationalen Größen.« – »Sie sind ein unbefangener Mann, aber von glücklichem Takt. Beide Geschäfte kann ich nicht zusammen machen. Es gilt die Wahl. Zu welchem rathen Sie?« – »Wenn ich hundert und achtzig Tausend machen kann, ziehe ich sie fünf und neunzig Tausend vor.« – »Ich auch,« lachte der Legationsrath. »Nur habe ich die achtzig Tausend so gut wie in der Hand; beim andern Geschäft aber sind Schwierigkeiten zu überwinden; es ist, würde der Engländer sagen, ein
steeple chase
mit Hindernissen.« – » Sie winden sich durch, Herr Legationsrath.« – »Ich nehme es als ein gutes Omen an,« lächelte Wandel. »Wir scheiden doch als Freunde.« – »Wie vorher.«
    Der Legationsrath hatte den Kaufmann bis zur Thür begleitet.
    »Nun sehen Sie, da wir als Freunde scheiden, und Sie sich so honett gezeigt, ist ein Dienst des andern werth. Sie haben mich gerettet, ich gesteh's Ihnen, für den Moment. Und aus purer Gefälligkeit! Der alte Asten ist aber kein Bettler. Er nimmt nichts umsonst. Also erstens dafür: tiefste Verschwiegenheit; von mir hört Keiner eine Sylbe. Zweitens eine Maxime: ein Kaufmann darf nicht zu viel Speculationen vor sich haben. Wenn er zu lange wählt, entschließt er sich zu spät. Sieht er zu eifrig nach der Taube auf dem Dache, so fliegt ihm auch der Sperling aus der Hand. Merken Sie sich das; rasch zugegriffen. Und drittens ist mir lange schon für sie was eingefallen. Machen Sie sich doch an Madame Braunbiegler. Das wäre eine Partie für Sie, so reich wie dick. Hundertzwanzig Tausend unter Brüdern. Der alte Braunbiegler verstand's. Lauter solide Hypotheken und Pfandbriefe. Und die halbe Fabrik! Unter uns hundertfunfzig Tausend wenigstens. Und Sie mit Ihrer Chemie, können das Tuch noch dünner strecken! Zugegriffen; ein Bischen Schwierigkeiten, aber Sie kriegen sie.«
    Die Treppen dröhnten unter den schweren Tritten des Kaufmanns, er sah nicht mehr die Blässe auf dem Gesicht des Legationsraths; nicht, wie er in die Küche zurück wankte, nicht, wie er an der Thürpfoste stehen bleibend, das kalte Gesicht mit beiden Händen bedeckte. Da verließ ihn seine Kraft. Ihn schwindelte, es drehte sich um ihn wie im Kreise, die Bilder, das Gerippe, die Retorten. Er fletschte die Zähne, die Augen traten aus den Höhlen, er ballte die Faust gegen die Bilder: »Lachen Sie nur, ›
Mes dames de Bruckerode!
‹ Dann wankten die Knie. Der starke Mann sank auf den Schemel, es war auch ihm zu viel gewesen. Die Retorte fiel von der Erschütterung vom Gestell und verschüttete ihren Inhalt in die Kohlen, der Staub wühlte auf, die Bilder bewegten sich, das Gerippe rasselte an der Wand.«
     

Dreiundsiebenzigstes Kapitel.
     
Eine Spinne in ihrem Netz gefangen.
    »Sie kommen so vergnügt von ihm?« empfing die Geheimräthin den eintretenden Legationsrath. Er sah allerdings anders aus, als wir ihn neulich verließen. In sorgfältiger Toilette und Coiffüre, ein Ordensband im Knopfloch, ein anderes, das sich unter dem Halstuch versteckte, schien er mehr zum Besuch bei Hofe als im Krankenzimmer ajustirt. Es ist indeß zu bemerken, daß er seit Kurzem seiner Kleidung eine Sorgfalt widmete, welche seine Freunde in der letzten Zeit vermisst hatten. Der Kleidung entsprach der heitere Gesichtsausdruck. »Wie haben Sie ihn gefunden?« setzte die Lupinus hinzu.
    »Wie meine Freundin mich findet – vergnügt.« Sie blickte ihn verwundert an. »Sie wissen, daß er in seiner Kollektion eine seltene Ausgabe des Horaz nicht besitzt, die mit verschlungenen Händen und einem Todtenkopf unter dem Druckort.« – »Leyden, Anfang des siebzehnten Jahrhunderts, Initialen von der und der Form,« unterbrach ihn die Lupinus; »ich habe es oft genug hören müssen. Er hatte alle Kommissionäre in Requisition gesetzt und große Summen geboten, immer umsonst.« – »Und jetzt hat er sie.« – »Wie ist das möglich! Sie selbst

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