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Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht

Titel: Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willibald Alexis
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belächeln wir. Werden die Menschen mit Runzeln liebenswürdiger? Wir erkennen ihre Schwächen, die Ideale sind längst gesunken, ihre Eigenheiten treten heraus, sie werden uns widerwärtig. Nein, nicht widerwärtig, Freundin, nur gleichgültig. Wir hören eine Todespost verwundert an: Hat Der noch gelebt, wir dachten, er sei längst todt? Wir sterben mit, wo Alles um uns stirbt, und lassen darum sterben, was nicht leben kann! Einer weniger, der Anderen in die Quere kam. Einer weniger, der mit verbrannten Flügeln nach der Sonne flattern wollte? Wem sind sie denn nicht verbrannt? Wir sind allezeit bereite Todtengräber – aus Mitleid, Adepten der Nothwendigkeit. – Das ist weit natürlicher als die andere Erklärung, daß wir's aus Neid wären, aus Haß, Haß gegen die ganze Menschheit. Ist denn die Menschheit werth, daß wir sie hassen? So wenig als unserer Liebe. Allerdings lehrt uns der Instinkt, zu stechen, wo wir gestochen werden. Sticht uns ein Größerer, stechen wir den Kleineren. Dagegen ist nicht anzukämpfen, es ist das Naturgesetz der Kreatur. Wo wir's überwinden, ist Unnatur; die Verweichlichung der Moral, die wir umsonst Religion taufen, es bleibt Verkehrtheit, die sich rächt. Aber nur nicht aus Haß, Erbitterung; wir spielen mit Tod und Leben, wie man mit uns spielt; die Folterschrauben, die man uns ansetzt, probiren wir an Andern, um zu erfahren, wie viel ein Mensch aushalten kann. Das führt zu einem Ziele; der Haß ist immer eine irrationale Potenz, die ins wüste Blaue treibt, wo Niemand das Ende absieht. Pfui, Blutrache! pfui, das alte mosaische: Zahn um Zahn! Wem hat es genutzt, und alles Unnütze ist Verbrechen. Dagegen begreife ich wohl, was der Alltagsmensch Rache nennt, und was doch weiter nichts ist, als der Schuß nach einem Ziele. Napoleon hat Palm erschießen lassen. Er hat Recht gethan, man soll ihn fürchten. Die Schriftsteller sollen sich nicht unterstehen, ihn unangenehm zu kitzeln. Das Recht hat Jeder – sich furchtbar, sich gefürchtet zu machen. Aber mit Klugheit, mit Vorsicht es benutzt! Nicht Jeder ist Napoleon, aber Jeder kann wie die kleine Spinne aus seinen eigenen Säften ein Netz sich weben, um Die zu fangen und zu verderben, die sich in seine Region drängen. Haben Sie einmal die Spinne beobachtet? Es ist für mich ein furchtbares Thier. Da liegt sie still, zusammen gekauert, ich möchte sagen, fromm, im Centrum ihres Kreises, sie scheint zu schlafen, aber sie ist nur pensiv, sie brütet über ihr ungerechtes Loos. Warum gab die Natur den Fliegen, Bremsen, Mücken, Wespen Flügel? Sie flattern, spielen in den Lüften ein gedankenloses Spiel, sie naschen an den Blumen, sie schlürfen den Mondenschein. Die Spinne ist stiefmütterlich behandelt, sie, die arbeitsame, denkende Schöpferin, muß an Mauern kriechen, in Winkeln ihr Gehänge spinnen, aus ihrer besten Kraft, nur um sich zu halten, zu existiren. Sie ist gescheut, verachtet. Soll sie nicht dem Schicksal, dem ungerechten, zürnen, nicht Grimm im Herzen tragen! Beim Allmächtigen, meine Freundin, welcher Gerechte fordert das von ihr! Sie fügt sich in das Unabänderliche, sie wartet und lauert; einmal kommt doch der Augenblick, um das Gefühl der Rache zu kühlen. Dann – auch dann stürzt sie noch nicht wie eine Harpye auf ihr Opfer los. Sie scheint fortzuschlafen, bis der unbesonnene Wildfang sich in das Netz verwickelt hat, strampelt. Dann – Was ich plaudere! – Da halte ich Sie ab von der Pflege des armen Kranken. – Es wird ja ohnedem nicht mehr lange dauern. – Sollte der Krieg losbrechen, ach Gott, eine wahre Wohlthat, wenn der liebe Gott den Dulder früher zu sich nimmt. Denken Sie den armen Gelehrten, wenn der Feind einrückte! Oder Berlin wird gestürmt; welches Loos, wenn er mit seinem
noli turbare circulos meos
dem französischen Chasseur entgegenträte. Im besten Fall, es ist Napoleons Art, alle Einwohner einer eroberten Stadt müssen zum innern Schutz in die Nationalgarde treten. Stellen Sie sich den Geheimrath vor mit dem Gewehr auf dem Rücken, einen Säbel an der Seite! – Nein, aus Liebe für ihn muß man ihm bald den ewigen Frieden wünschen. –
A propos,
ich vergaß, womit haben Sie denn vorhin geräuchert?«
    Die Geheimräthin hatte vielleicht mit ganz andern Empfindungen auf dem Sopha Platz genommen. Sie ahnte nicht, daß eine Schreckensstunde ihres Lebens nahte. In ein laues Bad, umduftet mit Wonnegerüchen, glauben wir geführt zu werden, und sie haben uns in ein kaltes Sturzbad

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