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Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht

Titel: Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willibald Alexis
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denn über Thatsachen aussagen! Daß die Kinder näschig waren, daß sie zugriffen, wo sie nicht sollten; daß sie in ihrer Naschgier eine schädliche Speise vom höchsten Küchenbrett holten. Oder wird man mich inquiriren, ob ich den Geruch in der Krankenstube abscheulich fand? Da würden die Experten sich nicht mit Meinungen befassen. – Doch, was ich Ihnen zu sagen vergaß, es war sehr klug, daß Sie dem todten Johann den Blumenkranz so tief in die Stirn drückten. Da kam ein häßlicher blauer Fleck über der Schläfe zum Vorschein –« Es war der entsetzlichste Blick, den wir von ihr sahen – nein, den sahen wir hier noch nicht. – Es war einer, der einen Abschnitt im Leben bedeutet. Mit solchem warf der Wütherich den Schlüssel zum Hungerthurm, worin er seinen Freund gesperrt, in den Fluß, mit solchem scheidet man von der Hoffnung, man stößt den Kahn zurück ins Meer, der uns an die Wüste trug, um darin zu verschmachten. Aber ein Blick war's, wie ein Eisendruck, der die erschlafften Nerven plötzlich stählt.
    »Herr Legationsrath, was fordern Sie von mir?« – »Fordern – ich!« – »Ihre Prinzipien verbieten Ihnen, etwas Unnützes zu thun. – Kurz, schnell, damit wir ins Reine kommen.« – »Ich wollte Sie weder ängstigen, noch derangiren – nur eine kleine Bitte. Eine Zahlung von fünftausend Thalern übermorgen genirt mich, weil mir eine Deckung aus Hamburg ausblieb. Sie haben wohl die Güte, mir mit den fünftausend, welche Sie asserviren, augenblicklich beizuspringen, bis meine Rimessen aus Thüringen ankommen.« – »Ich – ich werde sie Ihnen schicken.« – »Wozu Dritte impliciren – es giebt so leicht Nachfragen. Nur eine Feder, meine Gönnerin, um die Schuldschrift aufzusetzen.«
    Sie wankte an den Sekretair; die Goldrollen aus dem verborgenen Fach lagen auf der Platte. Sie wies stumm darauf hin. Er machte das Zeichen des Schreibens. »Wozu das?« – »Es ist doch der Ordnung wegen.« – Um ihm zum Schreiben Platz zu machen, trug sie die Rollen auf einen andern Tisch. Die Rollen waren schwer, ihre Glieder waren wie gebrochen. Eine entglitt ihr, einige Goldstücke rollten umher, die sie aufzuheben sich bückte. »O, mein Gott, Sie geben sich meinetwegen so viel Mühe!« rief er, auf dem Stuhl sich umwendend, schrieb aber weiter. Er wandte sich wieder um: »Wie wollen Sie es mit den Zinsen gehalten haben?« Sie antwortete nicht.
    »Es ist doch wegen des Lebens und Sterbens, verehrte Freundin. Ich würde sechs Prozent schreiben, aber Sie könnten, da Sie nicht kaufmännische Rechte haben, dadurch in Verlegenheiten kommen. Sehr möglich auch, daß der Zinsfuß in dieser Krisis noch steigt. Ich setze daher lieber; je nach dem höchsten Börsensatz.«
    Sie winkte ihm Schweigen mit einem krächzenden Hohngelächter. Er schrieb weiter. Was schrieb er noch! Er war aufgestanden und hatte ihr mit einer verbindlichen Verbeugung den Schuldschein überreicht. Sie warf ihn auf den Tisch, ohne ihn anzusehen. Jetzt war nichts mehr von Angst, Scheu, Bangigkeit in diesem Gesichte, es wogte ein wildes Feuer in der Brust, ihre Augen vermieden ihn nicht, sie sah mit einer Art böser Freude auf ihn: »Was ist Ihnen noch sonst gefällig? – Da ist der Schrank mit meinem Silberzeug – dort meine Geschmeide, Ketten, Ohrringe – meine Juwelen. Da im Korb die Schlüssel zum ganzen Hause. Erbrechen Sie, nehmen Sie fort, was Sie Lust haben.«
    »Ich erkenne Ihre Güte, unter welcher Form sie sich auch ausspricht. In Bezug darauf habe ich mir noch eine zweite Bitte erlaubt. Zum ersten September läuft ein Wechsel auf mich von zehntausend Thalern ab. Nur für den unerwarteten Fall, daß meine Rimessen auch bis dahin nicht einträfen, wünschte ich mich hier sicher zu stellen. Für Frau Geheimräthin Lupinus liegen fünfzehntausend Thaler auf der Seehandlung disponibel. Ich habe mir erlaubt, ein Cessionsinstrument auf Höhe von zehntausend dort aufzusetzen. Zugleich ein eventuelles Recipisse. Wenn Sie die Cession gefälligst unterzeichnen, befreien Sie mich, ich gestehe es, von einer momentanen Verlegenheit. Momentan, sage ich, denn –« er lächelte – »meine Aussichten sind gut. Es kostete nur den Entschluß zu einem sehr glücklichen Geschäft, dessen Chancen so gut wie in meiner Hand liegen. Glauben Sie mir, ich bin sicher auf höher als diese Bagatelle.«
    »Wie hoch schätzen Sie sich, mein Herr?« Der Hohn in der Frage berührte ihn nicht. »Auf über zweihunderttausend Thaler, meine Gnädige,«

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