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Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht

Titel: Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willibald Alexis
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antwortete er freundlich und überreichte ihr die eingetauchte Feder. Sie warf sich auf den Stuhl, sie überlas, ohne zu lesen, sie schrieb ihren Namen darunter; zu seiner Befriedigung, indem er über die Achsel sah, deutlich genug. Sie stand auf, sie sah, sie hörte nichts mehr, quer durch das Zimmer wankend, stürzte sie auf's Sopha. Thränen, um zu weinen, fand sie nicht, die Augen brannten unter den vorgehaltenen Händen. Endlich ward es ein krampfhaftes Schlucken, Schluchzen, ihre Füße klappten auf dem Boden, ihre Brust hob und senkte sich, sie holte Luft.
    Wandel falzte das Papier und steckte es in die Brieftasche, die Goldrollen hatten in den Taschen nicht rechten Platz. Er schlang um einen Theil sein seidenes Tuch, legte das Pack in den Hut und wollte leise zur Thür hinaus, als – ihm ein anderer Gedanke kam. Er saß neben der Lupinus, als sie die Augen aufschlug. »Noch martern!« rief sie zusammenzuckend. »Nein,« war die Antwort mit fester Stimme, »nur zu stählen wünschte ich meine Freundin.« – »Das Wort nicht mehr aus Ihrem Munde! Kennen Sie, was Erbarmen heißt, bäte ich Sie, mir aus den Augen, aus meiner Nähe! Ein Todtengerippe könnte mit seinen hohlen Augen mich nicht so entsetzlich anstarren.«
    »Denken Sie, ich wäre eines,« lächelte er. »Ich habe ein solches stets neben mir – eine einst heißgeliebte Freundin. Wenn ich verzweifeln wollte, das Blut gegen die Stirn presste, wenn ich einen dummen Streich zu begehen im Begriff war – dumm sind alle Handlungen, deren Impuls im Blute liegt – dann drück' ich ihr die Knochenhand, ich presse mich an ihre Brust, sie muß neben mir ruhen und ich werde gesund. Sie war ein liebliches Wesen, das nur den Impulsen des Herzens folgte, sie kannte keinen andern Regulator ihrer Handlungen, und – was ist sie nun? – Ein Traum ihr Leben, nur ihre Treue, Hingebung war mehr – sie, im Tode, giebt mir Kraft im Leben, sie gießt Eisen in mein Blut, Stahl in meine Nerven. O, erheben Sie sich, – so dürfen wir nicht scheiden.« – »Die Kette ist gesprengt – auf ewig.« – »Wenn uns die Verhältnisse auseinanderreißen, warum denn in Feindschaft? – War denn unsre Freundschaft auf Affekte begründet? – Ruhe ist die erste Pflicht, um in einem Schiffbruch nach dem Kahn auszublicken, der uns retten kann. Ich bewunderte Ihre klare Ruhe und Klugheit, die Ihnen die Entschlossenheit gab – wie lange handelten Sie in dieser Konsequenz, und nun soll die Aufwallung eines Augenblicks –« »Wo die Hölle sich vor mir aufthut –« »Gut, nennen Sie es Hölle, mich einen Dämon, Teufel, weil ich nach derselben Konsequenz handle, wie meine Freundin gehandelt hat. Aber wer in die Hölle steigt, um in dem Bilde, was Sie beliebten, zu bleiben, würde dort sehr einsam leben, wenn er nur mit Heiligen umgehen wollte. Wir selbst sollen uns das Ziel sein, aber die Association ist das Mittel. – Ist das undenkbar, daß wir uns gegenseitig noch Hülfe leisten könnten! Weil Sie mir jetzt helfen – meinethalben helfen mussten, – können Sie nie in die Lage kommen, wo Sie von mir Hülfe erwarteten? – O still, meine Freundin, ich weiß, was dieses Aufathmen sagen soll: Sie stürzten lieber in den Abgrund, als sie von mir annehmen! Ich lasse diesem natürlichen Gefühl sein Recht, wie die Alten schreien mussten, um ihren Schmerz loszuwerden. Schreien Sie, meine Freundin, innerlich, weinen Sie, wenn Sie wieder Thränen finden, verfluchen mich! Nichts von Resignation, Vergebung edler Seelen; ein Palliativ, was die Natur abschwächt. Nein, ergehen Sie sich in Ihrem ganzen Haß, aber dann – dann bedenken Sie, daß wir Beide uns kennen, daß der Zufall in der Welt eine bedeutende Rolle spielt, daß, wo kein Thron mehr sicher steht, die sicherste Stellung es im Leben nicht mehr ist, daß Fälle denkbar sind –«
    Sie sah ihn scheu an: »Sie meinen –« »Ich gebe nichts auf Ahnungen, aber – einen Wunsch, eine Weisung lass' ich Ihnen zurück, als letztes Angebinde. Sie haben sich stark gezeigt, bleiben Sie es, wenn das Unglück da ist. Welches Recht haben diese Menschen, die wir kennen, über uns? Etwa uns ins Herz zu schauen! Der Pöbel! Wer in aller Welt giebt ihnen das: unsre innersten Gedanken auszufragen? Ins Gefängniß mögen sie den Freien schleppen, auf den Rabenstein uns schleifen, nicht uns zwingen, daß wir uns selbst verrathen und verdammen. Das Recht hat keiner Mutter Sohn, er stehe so hoch er will. Der Pöbel kann uns nicht, wir können ihn ,

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