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Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht

Titel: Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willibald Alexis
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Wolken sah.«
    Auch die Stammburg des Ministers schaute von einem Berge in die Wolken. Der Minister musste den lächelnden Zug um seine Augen verstanden haben; es lag wieder etwas wegwerfende Härte in seinem Ton: » Sie können nicht dafür, daß Sie es nicht begreifen. Ihre ganze Erziehung, die Bildung hier ist daran schuld. – Es war ein Experiment, wie es in der Weltgeschichte noch nicht einmal vorgekommen. Daß eine Dynastie, ein Fürstengeschlecht ein Volk machte ! Zusammengeleimt widerstrebende Theile mit seinem Blute. Ich sage Ihnen, ich habe den höchsten Respekt vor diesem Blute. Welche Eisentheile, welche Attraktionskraft, Klarheit muß die Schöpferin Natur da einmal in ihrer übermüthigen Laune hineingegossen haben! Aber wenn ein Volk, wenn Stämme, wenn die Natur selbst darüber untergingen, dann erlaube ich mir wenigstens eine Thräne an ihrem Grabe.« –
    Nach einer Pause hub er wieder an: »Ich sage Ihnen, ohne Aristokratieen ist kein Leben in der Natur, kein Fortschritt in der Menschheit. Die Weltgeschichte wäre ein mongolisch-chinesischer Brei, ohne Halt, Erhebung, tragische Größe. Wenn man die Kirchtürme abbricht und die Schornsteine höher mauert, die Berge planirt und mit Schubkarren Hügel aufführt, ist das Ersatz? Was wäre der Erdball ohne sein Granitgerippe, das ihn zusammenhält gegen Orkane und Fluthen, Wälle gegen Sonnenbrand und Steppensand! Wo entspringen die Flüsse? In dem ewigen Schnee, der auf ihren Firnen lagert. Die Menschennatur ist nicht anders. Hab' ich eine Stimme wie die Catalani? Sind Sie schön wie Adonis? Können wir's uns geben? Sie würden mich, ich Sie einen Thor nennen, wenn wir danach trachteten. Wohin hat die Gleichmacherei der Jacobiner geführt! Frankreich seufzt unter einem neuen Marschallsadel; so dünn plattirtes Gold es sei, das Volk muß es von seinem Schweiße hergeben, wie es die Säckel der Direktoren füllen, die Guillotinen mit seinem Gelde bauen musste! Ist der alte Adel darum todt? Er lauert nur, und lässt seine Nägel wachsen, ums wieder an sich zu scharren, wenn die Gelegenheit kommt. Das die Wirkung der Impetuosen.«
    »Hier liegt aber vor uns die Arbeit eines Jahrhunderts und darüber. Wir sehen nicht mehr die Arbeit, nur das fertige Werk.« – »Ist es fertig?« – Er schüttelte den Kopf. – »Was wäre der schönste Gliederbau werth, dem der Kopf fehlte? – Man fängt an, auf Friedrich zu schmälen. Man hat Unrecht, auch der wackere Arndt irrt. Was er als Sünde des Individuums züchtigt, war nur der Instinkt des Blutes, es war die wunderbare Aufgabe der Dynastie, die Naturen und ihre Summitäten zu ertödten, um aus sich heraus allein das Werk zu erschaffen. Wär's ihnen gelungen, gelingt es ihnen, dann sind sie im Recht, es war eine Mission, eine Aufgabe von Gott, aber –«
    Das plötzliche Verstummen des Ministers war nicht von den Zeichen begleitet, welche den Willen, ein Gespräch abzubrechen, andeuten. Er wollte Widerspruch. Walter aber lenkte es von einer Seite ab, von der er wusste, daß sie für den Freiherrn immer empfindlich war. Er lenkte es auf die Fragen hin: ob denn die großen Reorganisationspläne des Staatsmannes grade in dem kritischen Augenblicke an der Zeit seien?
    »Jetzt oder nie!« fiel der Freiherr ein. »Preußens Geschichte laß ich als eine seltene Rarität unberührt. Wir empfingen das Werk mit dem Stempel, den seine Schöpfer darauf gedrückt. Diese Schöpfer sind todt. Und wenn sie als Geister aus ihren Grüften um uns schwebten, sie könnten uns doch nicht zuflüstern, was wir thun müssen, denn ihre Kenntniß ist aus ihrer Zeit. Wir müssen aus der schöpfen, die ist. Ein stolzes Orlogschiff schaukelt im stürmischen Meere. Seine Kapitäne und Steuerleute sind gestorben, ihre Papiere verloren, selbst die Traditionen, wohin es steuern müsse, sind es. Was soll man thun? Die Hände in den Schooß legen, es den Winden überlassen, wohin sie treiben? – Ja, dann verdienten sie, Mann und Maus, elendiglich auf dem Wrack umzukommen. – Nein, das Volk wird zusammentreten, berathen, die Tüchtigsten aus sich, die Erfahrensten, die Kühnsten auswählen, sie in die Masten schicken, ihnen das Steuer in die Hand geben, und, mit Gott, sie werden thun, was an ihnen ist, sich und das Fahrzeug zu retten. – Ein solches Schiff ist Preußen, ein solcher Augenblick ist dieser. – Jetzt gilt es das Volk aufrufen, jetzt oder nie. Erwacht, erwägt, was es Euch ist, dies Vaterland, ob es werth, daß Ihr Alles dran

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