Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht
Kammermädchen hatte zwar an der Thür gehorcht, aber nichts von Thränen und Betheuerungen. Die Sprache hatte so ernst geklungen, feierlich und – doch auch zärtlich, meinte das Kammermädchen. Sie musste die Sprache, welche drinnen gesprochen ward, nicht verstehen.
Jetzt ging er. Adelheid begleitete ihn bis an die Gartentreppe. Die Fürstin sah durch die Glasthür wenigstens den Abschied. Der junge Mann schien verändert, aber zu seinem Vortheil, seine Haltung war fester, entschlossener, vornehmer. Er ergriff Adelheids Hand, er schien sie an die Lippen bringen zu wollen, aber besann sich. Er hob sie nur bis ungefähr an die Brust und drückte dann seine Hand darauf. Er sah sie dabei nicht zärtlich, aber innig an. Sie musste ihn wieder so ansehen. Sie sprachen noch einige Worte, welche die Gargazin nicht hörte. Dann war es Adelheid, welche ihm kräftig die Hand schüttelte und etwas ihm nachrief. Als er verschwunden, kehrte sie um und trat durch die Glasthür.
Sie war nicht betroffen, als sie der Fürstin hier begegnete. Das Betroffensein war an der Gargazin, als Adelheid ohne Umschweife, bescheiden, aber kurz und entschlossen, mit der Bitte vorrückte, die Fürstin möge ihr vergönnen, die Königin heut um eine Audienz angehn zu dürfen. –
Mamsell Schadow empfing das schöne Mädchen mit Herzlichkeit, obwohl sie wusste, daß der Besuch nicht ihr gelte, und führte sie sogleich in den Garten und in den Gang, wo die Königin ihre Morgenpromenade zu machen pflegte.
»Wir gehen hier an den Gebüschen langsam auf und ab, und wenn sie kommt, thun wir, als sähen wir sie nicht. Wenn sie in Gedanken ist und uns nicht sehen will, was man gleich merkt, treten wir ins Gebüsch zurück. Will sie uns aber sehen, dann thun wir sehr überrascht und etwas erschrocken. Das lieben die hohen Herrschaften und dann encouragiren sie uns.«
Eine Mittheilung der Schadow war aber nicht geeignet, Adelheid zu encouragiren. Ihr Vater, der Geheimrath, hatte vor einigen Tagen eine kurze Unterhaltung mit der Königin gehabt. Adelheids Name war dabei genannt worden. »Das ist schade, das darf nicht sein!« hatte die Königin geäußert. Nachher hatte die Schadow Ihre Majestät zur Viereck sagen gehört: »Ich muß das junge Mädchen einmal sprechen.« Adelheids Vater hatte eine Abneigung gegen ihre Verlobung mit Louis Bovillard. Die Mutter betrachtete sie als ein Glück. Sie wusste von häuslichem Verdruß deshalb. Ueber diesen Kampf war Adelheid hinaus. Beim kindlichsten Gefühl der Dankbarkeit fühlte sie sich frei geworden. Sie hatte es keinen Hehl gegen ihren Vater gehabt: Ihr habt mich hinausgesetzt in eine andere Welt, wo andere Gesetze gelten. Wenn ich mich den Pflichten unterwerfen musste, die sie fordern, so darf ich auch ihre Rechte für mich anrufen So war ungefähr der Sinn eines Gespräches, in dem der Vater unterlegen war. Es war ja nicht eigentlich sein Departement; er fühlte, daß der Geist seiner Tochter auf Fittigen flog, die im Staube des Aktenlebens nicht wachsen. Nun, wenn er in seinem Mißmuth Seufzern und Klagen gegen die erhabene Person Luft gegeben, so fühlte Adelheid eine andere Lebensluft in sich. – Sie fühlte sich nicht decouragirt.
Die Königin kam, aber nicht allein. Ein Kavalier ging an ihrer Seite, mit dem sie in lebhaftem Gespräche schien. Es war ein stattlicher, schöner Mann, von einem gewinnenden Ansehen, jede Bewegung weltmännische Grazie, obwohl sein rechter Arm, früh vom Schlage getroffen, gelähmt an der Seite hing. »Graf Hoym,« flüsterte die Schadow, »der Vicekönig von Schlesien. Wir müssen zurücktreten.« Beide gingen vorüber, und die Königin bemerkte sie in ihrer Aufregung wirklich nicht.
»Palm! Palm! lieber Hoym, das bleibt doch das Abscheulichste. – So unschuldig, in der Nacht fortgerissen von Frau und Kindern – um – o mein Gott, ich glaube oft seinen Schatten zu sehen, wenn ich unter diesen Bäumen gehe.« – »Die Hunderttausende, gnädige Frau, die auf den Schlachtfeldern auch die Kugel traf –« »Nein, Hoym, das ist nicht das. Er schreitet über Leichen, das ist der Weg des Grässlichen. Aber der Mord an einem schuldlosen Familienvater –« Das Säuseln der Bäume und die größere Entfernung nahmen die andern Worte fort.
»Wie fühlen Sie sich, meine Liebe?« fragte die Schadow, um ihr Muth zu machen. »Nur Geduld es wird Alles ganz gut gehen.« – »Mich dünkt, die arme Königin ist in großer Aufregung. Ist denn Graf Hoym jetzt ihr Vertrauter?« –
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