Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht
Zutritt bei Hofe erhält. Grade jetzt, wenn das Memorial eingeht. – Er wird eigensinnig bleiben. – Thun Sie mir da den Gefallen und gehn zu dem schönen Mädchen, ich meine seine Braut. Stellen Sie ihr die Sache ernstlich vor, daß ihr eigen Glück davon abhäugt, seine definitive Placirung. Wenn sie um Audienz bei der Königin bittet, wenn sie das Sentiment, ihre eigne Herzenslage schildert, wird es ihr nicht schwer werden, auch Luisens Herz zu rühren. Die Lafontaineschen Romane spuken da noch immer. Ein Familienjammer ist außerordentlich wirksam. Sie kann ja auch einfließen lassen, daß nur auf diese Weise die Abneigung des alten Bovillard zu bewältigen ist.«
Walter schwieg: »Liegt denn Euer Excellenz so – überaus viel an –« »An Kleinigkeiten,« fiel ihm der Freiherr ins Wort. »Die Kieselsteine, die in ein Räderwerk, der Staub, der in eine Taschenuhr fällt, soll der Müller und der Uhrmacher sie liegen lassen, weil er der Vortrefflichkeit seiner Maschinen vertraut? Ja, Lieber, der Staatsmann, der auf die Kleinigkeiten nicht zu achten brauchte, wäre größer, als je Einer in der Welt es war. Sie sind da, um unsern Scharfsinn wach zu halten, und der sie nicht ergreift, wo sie ihm günstig sind, versündigt sich vor dem, der sie ihm in die Hände spielte. Also morgen schon, wo möglich.« – »Excellenz, wie komme ich dazu?« – »Sie waren ja ihr Lehrer. Einige Schmeichelworte, einige Autorität. Einem so beredten Lehrer schlägt eine Schülerin nichts ab.« – »Excellenz, diese Aufgabe –« »Kostet Sie Ueberwindung. Desto ehrenwerther. Haben Sie vielleicht selbst einmal – zu tief in die schönen Augen geblickt? – Um so schöner noch Ihre Aufgabe. Wir sind Alle zur Entsagung geboren.«
Siebenundsiebzigstes Kapitel.
Zur Königin.
Es war ein seltsames Zusammentreffen. Die Fürstin Gargazin war heute mit einem Gedanken aufgestanden, der sie beim Frühstück beschäftigte. Sie wollte bei der Königin eine Audienz erbitten, um Adelheid zu präsentiren. Vielleicht die Frucht eines Traumes; auch unsere Träume sind nur die Früchte einer Saat, die wir selbst gesäet. Adelheid fing an sie zu geniren. Weshalb? – Das Gesetz ihres Zusammenlebens war ja, daß Keine die Andere geniren durfte! Und doch – zuweilen, wenn ihre Blicke sich begegneten, schlug die Fürstin die Augen nieder. Die Augen des Mädchens leuchteten so hell und klug. Sie erinnerte sich unwillkürlich an das, was Wandel über sie gesagt. Warum blieb er kalt vor dieser Schönheit? Warum empfand er ein Unbehagen in ihrer Gegenwart? – Wandel war ein blasirter Mensch, aber – ein Menschenkenner, es war etwas, worin Beide in ihren Gefühlen stimmten. – Und was sollte das Mädchen noch in ihrem Hause! – Kaiser Alexander war fern, er hatte andere Gedanken; wenn er kam, kam er im Kriegerrock, und dann – dann! Die besten Berechnungen schlagen am ehesten fehl. – Und wenn Krieg ward, was sollte Adelheid in ihrer Begleitung! – Aber was sollte sie bei der Königin? – Das würde Gott am besten fügen. Die Fürstin war heute von einem Gottvertrauen, das durch die Ereignisse bestärkt werden sollte. Denn während sie noch am Frühstückstisch saß, war die Hofdame der Königin, Fräulein von Viereck, vorgefahren und hatte unter andern Dingen von der Verwunderung der Königin gesprochen, daß Erlaucht ihre Pflegetochter Ihrer Majestät noch nicht vorgestellt. Die andern Dinge waren bald bei Seite geschoben, die Viereck war nur darum gekommen. Die Königin durfte es nicht offiziell wünschen, auch war die Façon schwer zu finden, wie die Fürstin das junge Bürgermädchen präsentiren solle. Also sollte ein gelegentliches Zusammentreffen arrangirt werden. Die Kammerfrau der Königin, Mamsell Schadow, war eine Bekannte der Alltagschen Familie. Adelheid konnte die Kammerfrau besuchen, und so wenig dabei etwas Auffälliges war, konnte es sein, wenn Ihre Majestät bei der Gelegenheit das junge Mädchen traf.
Die Fürstin war über den Vorschlag um so mehr erfreut, als sie nicht nöthig hatte Mutterrolle zu spielen. Sie fürchtete nur Widerstand von dem kapriziösen Kopfe ihres Schützlings, eine Befürchtung, die um so größer ward, als sie hörte, daß Herr van Asten sich schon früh am Morgen bei Adelheid melden lassen, daß er angenommen worden und noch jetzt bei ihr sei. Was wollte der abgesetzte Liebhaber bei ihr! Er konnte doch nicht beabsichtigen, seinen Nebenbuhler und Freund wieder aus dem Sattel zu heben? Das
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