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Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht

Titel: Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willibald Alexis
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wie eine Marmorstatue abschnitt. Ein Sonnenstrahl, der durch die Baumwipfel auf ihren Scheitel fiel, setzte ihr eine goldene Krone auf, aber er goß zugleich ein wunderbares Leben auf das schöne Gesicht. Es war keine Bildsäule; die Königin schwebte die Allee wieder herab. Auf ihrem Gesicht schien jede Spur der Agitation verschwunden, als sie näher kam. Sie ging auf Beide zu.
    »Ihre Majestät entschuldigen,« wollte die Schadow anfangen, »es ist zufällig eine liebe gute Freundin –«
    »Es ist eine alte Bekannte und ein lieber Besuch,« unterbrach die Fürstin. »Wir sind ja hier unter uns, wozu die Komödie! – Es freut mich, Sie wieder zu sehen, liebes Kind, so wie Sie sind. Ich meine,« setzte sie lächelnd hinzn, »wie Sie bei Gottes schönem Sonnenlicht aussehen. Das Lampenlicht täuscht immer, und es ist mir lieb, daß ich mich nicht getäuscht habe.«
    Eine gebietende, aber graziöse Bewegung forderte Adelheid auf, an ihrer Seite weiter zu gehen. Der Schadow schien es zweifelhaft, ob sie nach diesem Empfange respektvoll unter dem Baume stehen bleiben, oder in ebenso respektvoller Entfernung folgen solle. Da wandte sich die Fürstin freundlich um: »Ach, liebe Schadow, da fällt mir ein, ich vergaß, als Hoym sich vorhin melden ließ, daß meine Lieblingsbücher auf dem Nähtisch liegen geblieben sind. Sehen Sie doch nach, damit die Kinder nicht darüber kommen.«
    Der Etikettenzweifel der Kammerfrau war gelöst, sie verneigte sich und die Königin und Adelheid waren allein. Es war ein wunderschöner Herbstmorgen, kein Wölkchen am sonnendurchglühten Himmel, die laue Luft spielte durch die angegelbten Baumwipfel, Sperlinge zwitscherten in den Büschen, weiße Herbstfäden flogen umher. Es war kein gezwungener Anfang des Gespräches, wie von selbst kamen die Worte von den Lippen der Königin: »Sind Sie auch eine Freundin der Natur?«
    »Sie streicht Balsam auf die Wunden der Leidenden und wessen Herz vor Freude jauchzt, wo findet er Laute dafür, als in ihrer stummen Sprache!«
    Das war zu starke Farbe für die Stimmung, sagen wir für die Poesie der Königin, aufgetragen. Sie blieb einen Augenblick stumm. Dann sprach sie Worte, die auch Andere behorcht haben müssen, denn wir finden sie schon verzeichnet.
    »Ich muß den Saiten meines Gemüthes jeden Tag einige Stunden Ruhe gönnen, und sie dadurch gleichsam immer wieder aufziehen, damit sie den rechten Ton und Anklang behalten. Das gelingt mir am besten in der Einsamkeit, aber nicht im Zimmer, ich muß hinaus in die freie Luft, in die stillen Schatten der Bäume. Unterlasse ich es, dann tritt gewöhnlich Verstimmung bei mir ein, und je geräuschvoller es um mich wird, um so ärger wird sie. Ach, es liegt ein ungemeiner Segen in dem abgeschlossenen Umgange mit uns selbst.«
    Das war viel von einer Fürstin gegen ein junges Mädchen, welches keine Ansprüche an ihre Vertraulichkeit hatte, welches sie zum zweiten Mal sah. Adelheid fühlte das Viele, es drückte sie indeß weder nieder, noch erhob es sie. Jene hatte wohl Recht: die auf den isolirten Höhen thronen, fühlen auch das Bedürfniß, ihre Gefühle mitzutheilen. Wenn sie keine Herzen, Seelen, Geister finden, die sie verstehen, klagen sie's der sternbesäeten Nacht. Sie schütten in der Verzweiflung ihr Herz auch aus vor den glatten Marmorwänden, lieber als vor marmorkalten und glatten Menschengesichtern. Adelheid gestand sich, sie war in diesem Augenblick nur eine Wand, ein Baum, an den die Fürstin ihr Herz ausschüttete. In der Art lag aber zugleich eine Korrektion. Die Königin hatte die Saiten auf den Ton gestimmt, der im Gespräche durchklingen sollte, es war ein elegisch-sentimentaler. Er passte nicht zu der Stimmung, welche Adelheid mitgebracht, und die in dem belauschten Gespräche neue Nahrung erhalten hatte. Weil Adelheids Saiten zu hoch gestimmt gewesen, schwieg sie, in Erwartung, daß der Einklang mit der Fürstin sich herstellen werde.
    »Sie sind eines von den glücklichen Wesen,« hub die Königin an, »an deren Wiege, wie die Dichter sagen, gütige Feen standen.« Adelheid öffnete die Lippen, aber verschluckte das Wort. Die Fürstin hatte den fragenden Blick aufgefangen und verstanden: »Wäre ich nicht die – stände ich Ihnen nicht so fern und fremd, so würden Sie mich gefragt haben: Was ist denn Glück?« – »An Ihre Maiestät erlaube ich mir nicht die Frage, aber an mich selbst: Was macht das Glück dieses Lebens aus?« – »Mich dünkt, der Stempel, den der Schöpfer

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