Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht
»Die arme Königin! Sie haben Recht, sie so zu nennen. Ach, unter uns, sie hat Niemand, dem sie ihr Herz ausschütten könnte.« »Ihr Herz?« Das war ein kluger Blick, welcher der Kammerfrau Muth machte, mehr zu sagen, als Kammerfrauen eigentlich dürfen.
»Ja, wenn sie ganz ihrem Herzen leben dürfte! Dafür hat sie ihre Kinder, ihren Gemahl, sich selbst; aber die großen Staatsangelegenhriten müssen fürchterlich stehen. Das, ich möchte sagen, zersprengt ihr oft das Herz. Liebe Demoiselle Alltag, ich möchte Manchen, der die Könige beneidet, einen Blick da hinein thun lassen, und sie würden Gott danken, daß sie so glücklich in ihrem Hause sind.«
Die Spaziergänger hatten sich umgewendet und gingen wieder vorüber. Die Königin schien noch immer in derselben Stimmung: »Er sieht die ganze Gefahr, klar und deutlich. Er könnte retten, und diesen einzigen Mann, der retten könnte, ihn lässt man brach liegen.« Aus Hoyms Antwort konnte man nur die Worte hören: »Aber der Freiherr von Stein –«
Die Schadow hatte Adelheid tiefer ins Gebüsch gezogen.
»Das ist ihr Hauptkummer jetzt. Unsereins darf freilich nichts davon wissen, und noch weniger sich darum kümmern, aber man müsste ja nicht Ohren und Augen haben. Je mehr es eine hohe Person schmerzt, um so heftiger bricht es unwillkürlich heraus, und uns beachten sie doch eigentlich nicht als Geschöpfe, die es angeht und die es verstehen.« – »Ihre Majestät wünscht den Freiherrn von Stein zum Rathgeber des Königs?« Die Kammerfrau sah Adelheid verwundert an: »Das wissen Sie auch! – Man mag im Publikum freilich Manches wissen, von dem die hohen Herrschaften glauben, daß sie es allein besitzen. Es ist so. Der Herr hat sich bei Hofe nicht beliebt gemacht; er hat viel Feinde. Das geht bis zu den Lakaien hinunter, Sie wissen nicht, wie das bei uns ist. Wen sie oben von Einfluß sehen, dessen Worte sprechen sie nach.«
»Aber wenn die Königin –«
»Es ist das Schlimme, liebe Demoiselle, daß der König selbst den Herrn nicht liebt – er ist ihm unbequem. Ganz unter uns, er fühlt oft, daß es besser wäre, wenn die Andern, gegen die jetzt das Geschrei ist, fort wären, er möchte sie auch zuweilen los sein, denn er ist der edelste, beste Herr von der Welt, aber sie sind ihm bequem, er hat sich an sie gewöhnt. Er entlässt ja keinen seiner alten Diener.«
Die Spaziergänger waren abermals zurückgekehrt.
»In den Provinzen theilt man Ihro Majestät Entrüstung,« sagte Hoym, »Allen ist es ein Räthsel: Friedrichs Staat in den eines französischen Roturiers!« Die Königin blieb stehen: »Sagen Sie lieber, eines charakterlosen Libertins, der mit den höchsten Gütern, den Tugenden, der Ehre des schönsten Reiches leichtsinnig spielt wie mit den Geldrollen, die er alle Abend am Pharotisch verliert.« – »Jammerschade, daß unser Haugwitz sich von ihm leiten lässt. Sonst ein so liebenswürdiger heller Geist.« – »Mich dünkt, es ist der höchste Grad des Unverstandes, das Werkzeug der Verworfenheit And rer zu werden.«
Auf einen solchen Ausspruch aus dem Munde einer Königin muß der Unterthan in Ehrfurcht schweigen. Hoym schwieg; auch die Königin schwieg einen Augenblick, wie im Gefühl, mehr gesagt zu haben, als die Etikette einer Königin zu sagen erlaubt. Die leichte Röthe war wieder von ihrem huldstrahlenden Gesicht verschwunden, als sie fortfuhr: »Ihm, ihm allein verdanken wir es, daß das Ungeheuer mit kaltem Hohn auf uns herabblickt. Er verachtet unsre Machthaber, weil wir solchen an ihn bevollmächtigten. Ich sage nichts davon, wie er in Brünn sich fortschicken, in Wien behandeln, in Schönbrunn dupiren ließ; ich zerdrücke meinen Schmerz, daß er es war, der Hannover uns schenken ließ, der Brocken, an dem unser Adler ersticken sollte. Daß er aber nach dieser Erfahrung, belastet von den Verwünschungen einer ganzen edlen Nation, jetzt in Paris wieder dieselbe Rolle der Insouciance spielen konnte!« – »Er war vielleicht, wie Lombard in Brüssel, von der Grandeur der neuen Majestät eblouirt.
Il est un peu phantaste,
Mystiker, er glaubt zuweilen an Geistererscheinungen.« – »Nein, Hoym. Er glaubt nur an sich. Er schrieb damals her: ›Sobald ich ihn gesehen, ist Alles abgemacht; ich weiß ja, was er in Wien zu mir gesagt hat.‹« Solcher naive Glaube wäre rührend, wenn er nicht ein Staatsminister des Königs wäre, wenn nicht Seine Majestät das Wohl seines Volkes und seiner Krone in seine Hand gelegt hätte. Da,
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