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Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht

Titel: Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willibald Alexis
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singen: ›Im Felde, da ist der Mann noch was werth!‹ Regte es sich da nicht in Ihnen? Hier ist er gar nichts mehr werth.«
    Welcher Dämon war in die Frau gefahren? dachte der Legationsrath. »Um ins Feld zu ziehn, muß man –« »Muth haben,« unterbrach sie ihn. »Bewahre Ihr Genius oder Ihre Heiligen die Liebenswürdigste Ihres Geschlechts davor, eine Amazone zu werden!« Sie schien ihn nicht zu hören. »So rottenweis sie fallen, Reihe um Reihe unter dem Kartätschenhagel stürzen, das Feld sich lichten zu sehen, für einen Feldherrn soll es ein Götterschauspiel bieten. Da, wenn er auf der Höhe hält, den Tubus in der Hand, sein Schlachtroß unbeweglich unter seinen Lenden, da soll Napoleon ein Gott sein. Ein Bewegen mit dem kleinen Finger, ein Seitenblick, ein Zucken mit der Lippe, die Adjutanten verstehen es, neue Bataillone wälzen heran, sie füllen die Lücken, um wieder – Lücken zu werden. – Ich kann die Frau da begreifen, wenn es wahr ist, was sie von ihr erzählen. Mit Menschenleben spielen wie mit Schachpuppen, warum soll es nicht zum Kitzel werden, dem man nicht widersteht.«
    »Die Unglückliche! Sie wollte gewiß keine Verbrecherin werden.« – »Wer will das! Sie wollte nur Glück um sich verbreiten, aber weil die Menschen eigensinnig sich ihres auf eigne Weise suchen, ward sie erbittert, bis – bis – Ja – weil sie nicht Muth hatte zu sündigen, darum ward sie Verbrecherin. Eine Philosophin – sie hat ihre Götter sich selbst geknetet, – weiß ich, aus welchem Koth! – Wer den Gott des Lebens nicht kennt, seine Beseligung, dürstet doch nach einer anderen. Der Gott des Todes gewährt sie auch, und wem die großen Würgeengel nicht zu Kommando stehen, wie Bonaparte, lässt sich mit den kleinen genügen. Die Gemeinheit sagt, sie hätte es aus Rache gethan. Nein, ich vertheidige die Frau. Auch sie nur ein Werkzeug in seiner Hand.« – »Sie würde mit ihrer erlauchten Vertheidigerin schwerlich zufrieden sein.« – »Herr von Wandel wird sie allerdings besser vertheidigen, weil er sie besser kennt.« War das ein Basiliskenblick? – Er wollte sprechen – aber er stotterte nur von Gott und reinem Bewusstsein. Wenn sie unschuldig, werde jener sie schützen, dieses sie trösten.
    »Reden Sie doch nur in Sprachen, die Sie verstehen.« herrschte die Fürstin ihn an. »Wenn Gott seine Zuchtruthe am Himmel aushängt für die Völker, straft er auch die Einzelnen. Merken Sie sich das, Herr von Wandel. Wenn Pestilenz, Krieg, Verderben in einem Lande ausbricht, kommt es nicht angeweht vom Winde, es bricht von Innen heraus, wie ein Geschwür von den faulen Säften. Merken Sie das. – Werden Sie noch hier bleiben? Mich dünkt, hier ist nicht Ihres Weilens. Mich dünkt, Ihnen könnte Gefahr drohen. – Mich dünkt, man glaubt Sie zu kennen –« »Wer?« – »Ich nicht,« rief mit Nachdruck die Gargazin. »Ich will nicht, mir graut, Sie kennen zu lernen. Die Akademie will Sie nicht, aber für Gelegenheit nach Rußland lassen Sie mich sorgen – ich könnte Ihnen eine Professur in Kasan verschaffen.«
    Der Legationsrath verneigte sich zum Abschied: »Die Luft dort ist mir zu streng.« – »Was fesselt Sie hier?« – »Erlaucht wissen –« »Unmöglich – nein – abscheulich – das traue ich Ihnen doch nicht im Ernst zu.« – »Eine
mariage de raison,
weiter nichts. Wenn wir mit den Leidenschaften und Phantasien zu Rande sind, behält die Vernunft das letzte Recht.« – »Mir aus den Augen!« – »Was that Madame Braunbiegler, Euer Erlaucht Zorn zu erregen?« – »O mehr als abscheulich – widerwärtig – eine Versündigung gegen Geschmack, Gefühl, Aesthetik! An einen trunkenen Silen konnte die Nymphe sich hängen, da war im Epheu holder Wahnsinn – aber das Thier, das im Schlamme der Gemeinheit sich wälzt, das wagten die Griechen selbst nicht – Und mit Bewusstsein, klar sehend – Mir aus den Augen – da ist die Treppe – wenden Sie sich nicht um – Ich will Ihnen nicht wieder ins Gesicht sehen – nie, nimmermehr!«
    Wandel hatte sich noch tiefer verneigt und – er stand schon auf der Treppe. Da aber wandte er sich doch um. Es musste ein eigner Blick sein. Sie ward roth und blaß: »Erinnern Sie sich,« rief sie ihm nach, »daß Sie keine Zeile Schriftliches von mir in Händen haben. – Ich kenne Sie nicht. – Fort – hinunter – Scheusal – schneller!«
    Er war symbolisch die Treppe hinuntergeworfen. Er machte sich keine Illusionen darüber. Aber warum? – Weil er

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