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Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht

Titel: Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willibald Alexis
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sah, warum sollen Sie ihn denn nicht im Tode sehen! Sie werden sich wiedersehen!« – »Nun, um Gottes Barmherzigkeit willen, ja, wir werden uns auch wiedersehen!« rief Dohleneck in ungewöhnlicher Aufregung. »Kein Krieg ohne Blut, aber warum gleich maustodt! Wozu giebt's denn Charpie und Pflasterkasten? Das Blut mag zwischen uns fließen, ja, ein tiefer Fluß, aber warum soll ich denn nicht rüberspringen und« –
    »Wir werden uns wiedersehen!« und die Baronin öffnete die Arme und der Obristwachtmeister auch – Da musste es um sie sausen, krächzen, und die wilde Jagd kam hinterher. »Fangt sie! – Da sind sie! – Die Brut!«
    Als die Unholde heranstürmten, war die Baronin schon durch die Oeffnung der Hecke geschlüpft. Der Obristwachtmeister warf einen Zornblick auf die Störenfriede, ja, seine Linke ruhte auf dem Degengriff. Ob Herr von Dohleneck ihn gezogen hätte, wir wissen es nicht; aber es war ja sein Wachtmeister, der, in Respekt erstarrend, vor ihm schulterte und aus den Lippen des vorgestreckten Kopfes die Worte flüsterte: »Halten zu Gnaden, Herr Obristwachtmeister, sie sind die Puten von Excellenz Feldmarschall Möllendorf!«
     
Zweiundachtzigstes Kapitel.
     
Die Scheidestunde schlug.
    Als die Baronin durch die Hecke geschlüpft – sie hoffte, unbemerkt von den Verfolgern, – befand sie sich in einem schmalen Gange, der eigentlich nicht zum Spazierengehen, sondern zwischen der beschnittenen Baumhecke und einem alten Plankenzaune, mit Unkraut bewachsen und für den Kehricht des Gartens bestimmt war. Ihre Absicht war auch wohl gewesen, wenn das wilde Heer vorüber, in die Allee zu ihrem Freunde zurückzukehren. Davon wurde sie zu ihrem Schreck durch einen andern Mann, den sie nicht als ihren Freund betrachtete, abgehalten. Nein, sie fürchtete oder verabscheute den alten Herrn von Bovillard, und glaubte dazu hinlänglichen Grund zu haben, denn hatte nicht der Legationsrath in einer vertrauten Stunde ihr – wir sagen nicht Alles, aber doch Vieles vertraut, was sie nie erfahren durfte, wenn man nicht ohnedem wüsste, daß das Amtssiegel der Verschwiegenheit über die geheimen Staatsangelegenheiten in der Hinterstube des Geheimraths Bovillard nur zu oft erbrochen war. Und diesen selben Bovillard, der mit ihr und dem Rittmeister ein so grausames Spiel gespielt, dem sie in in ihrer Entrüstung geschworen, nie mehr ins Gesicht zu sehen, traf sie an dem einsamen Orte, er kam grad' auf sie zu, und hob grade den Kopf, den er gesenkt trug, ehe sie ausweichen konnte. Zu anderer Zeit kochte es in ihr, ihm Sottisen oder die Wahrheit zu sagen, was sollte sie ihm jetzt sagen, wenn er mit seinem medisanten Witze sie raillirte! Ach, aber der Geheimrath war ein Anderer, in kurzer Zeit schien er um Jahre älter geworden. Wohin war der elastische Schritt, die Jugendlichkeit, die er im Umgange affectirte? Er ging bedächtig und gesenkten Hauptes. Er litt an fixen Ideen, sagte man. War es sein Stammbaum, dessen Wurzeln bis zur Schöpfung der Welt zurückwuchsen, was seinen Blick auf der Erde wurzeln ließ? Man hielt es nur für eine momentane Phantasie des aufgeklärten Lebemannes; er benutzte sie, um seinem Depit gegen die Verbindung seines Sohnes mit der Demoiselle Alltag einen scheinbaren Grund unterzulegen. Er litt, wer sollte es glauben, an einer andern Idee, die er zwar nicht deutlich aussprach, aber aus seinen hervorgestoßenen Reden erschien es, daß er an gewissen Tagen sich für vergiftet hielt, von wem anders, als der Lupinus! Auf vernünftige Vorstellungen gab der vernünftige Mann zu, daß dies unmöglich sei, da er jede gesellige Berührung mit ihr vermieden hatte; aber er nahm doch in jenen Tagen viele und starke Laxanzen. Er, der erklärte Gegner der Romantik und alles Mysticismus, las in Büchern, die man nicht auf seinem Tisch erwarten sollen, und an Aerzte, die sich jener Richtung näherten, stellte er die verblümte Frage, was sie von dem bösen Blick hielten, an den die südlichen Nationen glauben, und ob nicht eine physische Möglichkeit sei daß er der Gesundheit Anderer schaden könne? Der Geheimrath Bovillard war bereits als
malade imaginaire
sprüchwörtlich. Sein Gönner, der Minister mit der aufrechten Haltung, hatte ihm seine Universalkur, Karlsbad, wiederholentlich empfohlen, der Geheimrath den Rath aber von der Hand gewiesen – für jetzt. Er fürchte, es werde ihm als Furcht ausgelegt, wenn er sich aus Preußen entferne, er sei ein Patriot, darum müsse er es zeigen. Darum

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