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Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht

Titel: Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willibald Alexis
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ganz besonders die Hand des jungen Asten, dankte ihm mit gerührter Stimme, daß er seine Tochter zu dem gemacht, was sie sei. Rührung war weder sonst noch jetzt das Departement des Geheimen Kriegsrathes. Die Geheimräthin brachte selten das Tuch von den Augen. Sie unterhielt sich mit dem alten Rittgarten, er musste ihr vom Krieg erzählen, wie weit man sich herangetrauen könne ohne Gefahr, ob die Franzosen auch auf Frauenzimmer schössen? Nie war sonst ihren Gedanken etwas entfernter gewesen. »Sie ist noch gar nicht gereist, das Kind, einmal nur bis Potsdam, und nun muß ihre erste Reise gleich in den Krieg sein! – Wer hätte das nur als möglich gedacht; es wird doch Alles anders, als es sonst war.« – »Alles – Alles!« sagte der alte Major, den Kopf schüttelnd, die Pfeife musste ihm heut nicht schmecken. »'S ist Fügung des Himmels; das muß uns wohl trösten,« sagte die Geheime Kriegsräthin, »aber – aber –« »Der Himmel fügt es, daß Alles aus dem Gefüge geht, und es wird noch mehr losgehen. Er weiß, warum. Es muß wohl nicht recht zusammengefügt gewesen sein.«
    Eine Konversation kam nicht auf. Wer zu sprechen anfing, brach plötzlich ab, im Gefühl, daß es Wichtigeres zu sprechen gab, und die Zeit war kostbar. Und dann hatte Jeder mit dem Andern etwas Besonderes zu sprechen. Wenn er fortgegangen, fiel ihm ein, daß er das vergessen, was ihm besonders auf dem Herzen lag. Welch ein Strom mütterlicher Ermahnungen war von den Lippen der Mutter geflossen, und immer besann sie sich, daß sie doch noch etwas Anderes, etwas Neues zu sagen hatte.
    Jetzt nahte die Scheidestunde. Adelheid konnte nicht zum Abendessen bleiben, der Wagen der Hofdame, der sie nach dem Palais bringen sollte, war angemeldet. Der Vater hatte eigentlich am wenigsten mit ihr gesprochen. Jetzt legte er seine Arme auf ihre Schultern: »Du, mein geliebtes Kind, mein Bijou! Nun ich Dich verlieren soll, begreife ich erst, was ich in Dir gehabt habe. Und was ich hätte in Dir haben können, dann wäre ich Dir mehr gewesen und Du mehr mir. Ich hätte Dich besser verstanden, und Manches wäre besser – vielleicht! Aber es hat nicht sein sollen. Andere sagen, der Mensch gehöre zuerst sich selbst und seiner Familie, und dann erst seiner Pflicht gegen den Staat. Ich verstand es anders. Gott wird wissen, wer Recht hat. Wenn Alles in der Welt wechselt, so wechseln wohl auch die Ansichten über die Pflichten. Aber ich glaube doch, wer das thut, was er gelernt hat, daß es recht sei, der thut Recht, und der himmlische Vater wird ihm vergeben, wenn er dabei auch mal Unrecht thut. –«
    Adelheid an seinem Halse wollte nichts davon wissen, daß ihr Vater gegen sie Unrecht gethan; sie habe sich anzuklagen, daß sie nicht alle Pflichten eines Kindes gegen ihn erfüllt.
    Er schüttelte den Kopf: »Du warst ein ausgezeichnetes Kind, und für die hat die Vorsehung wohl besondere Gesetze. Sie führt sie Wege, die uns nicht gut dünken, aber sie leiten zum Ziel, das wir nur nicht sehen. So ist's mit Dir gekommen, und so wird es noch weiter kommen. Es wird Vieles besser werden, als wir denken – und – wir werden uns wiedersehen und froher als heut –«
    Endlich musste doch die Glasthür geschlossen werden, von der Zugluft schmolzen schon die Talglichter. Die Geschwister wollten mit; anfänglich die Mutter auch, sie fühlte sich zu schwach. Die Kinder aber konnten sich im Gedräng und der Finsterniß verlieren. So machte es sich denn wie von selbst, daß van Asten seine ehemalige Braut allein nach dem Wagen begleitete.
    Die Sterne funkelten hell am klaren Herbsthorizont, als sie aus dem Baumgang traten. An der Hinterpforte stand der Wagen. Sie reichte ihm die Hand. Mit ihrer Silberstimme sprach sie: »Walter, hinter uns ist es klar; ich hoffe es wird auch vor uns immer klar bleiben.« Er schlug ein: »Es werden noch viele Nebel aufsteigen, bewahre Deinen hellen Blick und dann bleibt es zwischen uns klar.« – »In keinem Fältchen Deines Herzens ist ein Groll,« sprach sie »nicht wahr? – Das giebt mir Muth. Aber –« Sie zauderte. »Sprich es aus!« sagte er. »Es soll gar kein Fältchen zwischen uns bleiben.« – »Ich möchte Dich auch ganz zufrieden, ganz klar mit Dir selbst verlassen. Bin ich's noch, Walter, die wie eine Nachtwolke zwischen Dir und Deinem Vater schwebt, den Wünschen des Mannes, dessen Glück und Frieden Dir das Theuerste sein müsste?«
    »Und wenn Du es wärest, was kannst Du dafür? Kann der Nordpol dafür, daß

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