Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht

Titel: Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willibald Alexis
Vom Netzwerk:
zeigte er sich an öffentlichen Orten; wenn auch nicht grade an dem, wo die Baronin ihm begegnete.
    »Ach, meine gnädige Frau,« sagte er, nachdem von seiner Seite weder eine freudige noch eine andere Ueberraschung stattgefunden, er brachte vielmehr die Worte mit einer Art innerem Gähnen heraus, indem er neben ihr herging. »Ach, meine gnädige Frau, die Moralisten sagen, Alles in der Welt ist eitel; aber es ist nur die Wirkung aus der Ferne. Ich sehe in der Welt nicht ab, warum das eitel sein soll, was ich genieße, und es schmeckt mir. Eitel, das heißt, es verdirbt und vergeht, wird es nur durch die Einflüsse von außerhalb. Könnte Jeder seinem Penchant nachgehen, dann gäbe es keine Eitelkeit und keine Sünde, nur vergnügte Menschen. Sie lieben im Frühling die Veilchen, ich die Maibutter, wie schön duften sie am Morgen, wie aromatisch und frisch schmeckt sie zum Frühstück! Da muß ein Weltkörper viele Millionen Meilen von uns entfernt, so einwirken, das das Veilchen am Abende welk ist, auch die Philosophie hilft dagegen nicht. Der böse Magnet, Dämon, was es sei in der Ferne, unsere Pfeile erreichen ihn nicht, und, was noch schlimmer, wir wissen gar nicht, wo unser Feind sitzt. So ist der Klügste nicht sicher, woher's ihn einmal überkommt, ob er auf dem Eis einbrechen, oder im Tanzsaal ein Bein brechen soll. Was ist der Krieg? Die Soldaten bilden sich ein, sie trügen ihn, und sie bluteten für uns. Aber, contrair, sie haben das Vergnügen, und der Civilist hat die Leiden; er muß zahlen und zahlen, Handel und Gewerbe stocken und wir müssen Spott, Uebermuth und Einquartierung ertragen, bis wir aus der Haut fahren. Ich will mich nicht um die Welthändel kümmern, sagt der gute Bürger. Und hat er dazu nicht ein Recht? was er nicht eingerührt hat, braucht er nicht aufzuessen. Hat der Weizenbauer in Pyritz die französische Revolution gemacht, hat er consentirt zur Pillnitzer Alliance, oder hat er Napoleon zum Kai er ausgerufen? Gott bewahre, er weiß von alledem nichts, hat nie was von dem wissen wollen; aber büßen muß er jetzt: seine Pferde werden ihm ausgespannt, Fourage muß er liefern, seine Söhne muß er hergeben zum Todtschießen, und wenn die Franzosen gewinnen, frißt und prügelt ihn die Einquartierung, sie schmeißt ihn am Ende aus Haus und Bett, wenn er eine Frau hat, alles das die Wirkung aus der Ferne, und Niemand weiß, meine theuerste Baronin, wo das Uebel ihm sitzt und von wo es kommt.«
    Die Baronin schenkte ihm einen Blick, der zu verrathen schien, daß sie wenigstens die Ferne kenne, aus welcher sie die Wirkung empfunden. Der Geheimrath hatte für solche Blicke keine Augen und kein Gefühl.
    »Meine Beste,« sagte er, das Gesicht in eigenthümlicher Weise verkneifend, und beide Hände gegen die Seiten stemmend, »denken wir nicht an vergangene Thorheiten. Sie sollten nach Karlsbad. Hier, Gott weiß, was hier kommt; die schwere Luft und Niemand weiß, was er in den Sonnenstäubchen runterschluckt, die er einathmet, wenn er den Mund aufthut. – Da – da können Sie ungenirt und frei leben. Ich ginge ja auch herzensgern, aber – ein Staatsmann und die Rücksichten. – Excuse!«
    Mit einem raschen Sprung war er in den Gang zurück, aus dem er die Baronin unter so liebenswürdigem Gespräch bis in den Garten zurückgeführt hatte. Da trafen sich im Gewühl viele Bekannte, die wieder auf die Estraden stiegen. Die Stopfung auf der Straße war gelöst. Der Abendwind trieb den Staub nach einer jenseitigen Richtung. Herr von Fuchsius, der die vereinsamte Frau zuerst gewahrte, hatte ihr seinen Arm angeboten. Sie hätte wohl einen bessern Führer gewünscht, sagte er lächelnd, aber in dem Gedränge müsse man sich schon dem ersten Besten anvertrauen. »Wer in der Gefahr vereinsamt steht, ist verloren.« Ueberall Abschiedsscenen, Thränen, Tücher. »Sie waren eben Zeugin einer der tragischesten Abschiedsscenen!« Die Baronin sah ihn verwundert an. »Herr von Bovillard scheint förmlich von seinem Verstande sich geschieden zu haben. Es ist der Abschied eines Verschwenders von seinem verschleuderten Gute. Er ist auf dem Wege, ein vollständiger Hypochonder zu werden. – Aber beachten Sie den Abschied dort, er ist weit trauriger, zwischen Vater und Sohn.«
    »Zieht der junge van Asten auch ins Feld?« fragte die Baronin, denn dieser war es, dem sein Vater nach einem langen, wie es schien, eindringlichen Gespräch plötzlich den Rücken wandte. »Nur in die Freiheit – und der Alte

Weitere Kostenlose Bücher