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Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht

Titel: Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willibald Alexis
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ausgetretenen Rinnstein gewatet war. Die Züchtigung hatte er indeß ausdrücklich nur erhalten, weil das die Straßenjungen thäten, weil es sich in einer Stadt nicht schicke, und weil der Rinnstein ein schmutziges Wasser sei.
    Diese drei Gründe griffen ja hier nicht Platz. Die Strümpfe und Schuhe flogen auf den Rasen und sechs zierliche Füße plätscherten im Wasser. Die Mädchen fassten sich an, um die Kühlung gemeinschaftlich zu genießen. Karoline zog die Anderen unmerklich etwas weiter: »Hier können wir bis am Knie stehen, ach das thut wohl!« – »Herr Gott, Karoline, was willst Du?« rief Jülli, die sah, daß Karoline Miene machte, ihre Kleider abzustreifen und aufs Ufer zu werfen. – »Ich bin ja vom Kietz in Spandau, ich ertrinke nicht.«
    In dem Augenblicke fuhr ein Ton durch die Luft. War's das Gekreisch eines Reihers, war's ein Pfeifen, der Warnungsruf einer menschlichen Stimme? Erschrocken sahen die Mädchen sich um, das war ein Moment. Im nächsten waren sie es, die laut aufschrieen, und, mit einem Sprunge am Ufer, nach Schuh und Strümpfen griffen. Ein dritter Moment: ein helles Gelächter vieler Männerstimmen, Säbel klirrten in der Scheide, Pferde wieherten. Mehrere Cavallerieoffiziere preschten durch den Feldweg und Einer rief: »Hussei, richtig gesehen! Badende Mädchen; da wollen wir helfen!« Zwei machten Miene vom Roß zu springen, während der vorderste sich zwischen Rand und Kornfeld einen Weg zu bahnen suchte, ohne dabei besonders auf die Aehren Acht zu haben. Aber das Pferd scheute vor einer Unebenheit, und die Elfen gewannen den Vorsprung. Sie kletterten, sprangen, schwebten in athemloser Hast um den Rand des Sees, nach einem Ausweg suchend. Der, auf dem sie gekommen, war ihnen schon durch den Reiter versperrt. Sie fanden ihn in der Nähe des Hagebuttenstrauches. Den Lauscher hinter dem Busche hatten sie nicht entdeckt, aber die Unordnung in den schwankenden Aehren verrieth noch lange die Richtung, in der sie verschwunden waren.
    »Echappirt!« rief der vorderste Reiter, die Terrainschwierigkeiten als guter Cavallerist erwägend, und ließ den Daumen und Mittelfinger in die Luft knallen.
    »Wollen wir schwenken, nachpreschen, Dohleneck?« fragte der Zweite.
    »Müssten ein ganzes Kornfeld niederreiten,« sagte der Rittmeister, »und das käme wieder zu des Königs Ohren. Ihr wisst, wie er die Bauern protegirt.«
    »Jammerschade!« Der Zweite schlug. vor, abzusitzen, die Pferde anzubinden, und ihnen zu Fuß nachzueilen.
    »Die sind fix wie der Wind.«
    »Aber barfuß. Die Füßchen würden ihnen doch zu weh thun, so über Stock und Block. Und werden sie mit blanken Beinen ins Dorf laufen zu Papa und Mama? Irgendwo im Korn verpusten sie sich und ziehen die Strümpfe an, da attrapiren wir sie, und probiren, ob sie die Strumpfbänder nicht zu fest binden. Das ist schädlich, sagt Hufeland.«
    Der Rittmeister strich den Bart und sagte: »Meine Maxime sei, nie was suchen, aber die Ueberraschung hinnehmen. Das ist soldatisch. Und wenn wir sie bei nahe besehen, wer weiß, ob wir uns nicht schämen, ihnen nachgelaufen zu sein.«
    Hexen wären es nicht, meinte der Zweite, und der Dritte: er müsse die eine schon gesehen haben; auch die andere kam ihm bekannt vor, aber er wusste nicht, wo sie hinbringen. Man beschloß endlich, beim Rückwege durchs Dorf zu reiten, wo man sie doch wohl wieder zu Gesicht kriegen wird.
    Sie sprengten fort. –
    Es war still wie vorher. »War's ein Traum?« dachte Walter, der sich hinter dem Strauch aufrichtete und über die Stirn fuhr. Die eingeknickten Aehren sprachen dagegen. Unfern von der Stelle, wo er gelegen, lagen Kornblumen, die sich von einem Strauß aufgelöst. »Das hatte sie an der Brust.« Er raffte die Blumen rasch auf. An einer halb geknickten Aehre flatterte ein blauseidenes Strumpfband. »Das hatte sie verloren.« Er ergriff es und schlang es um die Kornblumen zum Bouquet.
    »Und die Thoren wollen sagen, es gebe keine Romantik!«
    Er blieb zaudernd stehen. Sollte er auch ins Dorf? »Die Erscheinung war so schön, warum denn die Wirklichkeit aufsuchen, welche in einem Augenblick vielleicht den ganzen Zauber löst.« Dazu erinnerte er sich, daß er dem Geheimrath Lupinus versprochen, ihm bei der Collationirung zweier Manuskripte heute Abend zu helfen. Und Lupinus hatte gesagt, daß er ihm einige Privatstunden verschaffen zu können hoffe.
    Walter schlug vergnügt den Rückweg ein. Er war es, der bei Annäherung der Reiter das Warnungszeichen aus

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