Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht
Mädchen senkten die Köpfe, die Kinder waren ängstlich vor den Pferden. Die Obristin fasste den Arm des Kriegsraths unter dem Tisch und flüsterte ihm zu: »es sind junge Leute.« Die jungen Leute aber beugten sich seltsam im Sattel, sie warfen Kußhände zu mit den Fingern, mit beiden Händen, sie miauten, schnalzten, krähten. Endlich waren sie wie der Sturmwind verschwunden, nachdem sie ein: »Auf Wiedersehen, allerliebste Engelchen!« der Gesellschaft zugerufen.
Der Schemel hinter ihm fiel auf die Erde, als der Kriegsrath aufsprang und der Aufbruch war damit gemacht. »Gerechter Gott!« rief er, den Stock auf die Erde stampfend, »wann wird das endlich mal ein Ende nehmen! Giebt's denn keinen Fleck auf der Erde, wo man seine Tochter ruhig hinführen kann! Giebt's denn Niemand, der dem Könige das sagt, denn er ist gütig und gerecht.«
Die Frau Kriegsräthin wehrte still die Obristin ab, die beruhigende Worte auf der Lippe hatte, von Jugend und Tugend. »Um Gottes Willen, Frau Obristin, jetzt keine Sylbe, sonst bricht es los.«
Es schien aber schon jetzt loszubrechen, wenn auch nicht in Worten, als er den Hut aufstülpte, den Rock zuknöpfte und rief: »Nun marsch nach Haus!«
Wir sehen die Familie auf dem Marsche. Es hatte Jeder seine eigenen Gedanken, darum war es heut Abend so still als es an manchem laut gewesen. Vergnügt war eigentlich nur die Kriegsräthin. Sie baute Schlösser in die Zukunft, und war ihr Wunsch nicht erfüllt, als ihr Mann der Obristin die Hand gedrückt und gesagt hatte: »Sie sind eine brave und praktische Frau. Ich freue mich, Ihre Bekanntschaft gemacht zu haben.« Eigentlich war das etwas unschicklich zu einer so vornehmen Frau gesprochen, aber sie hatte es nicht übel genommen. Sie hatte die Hoffnung auf nähere Bekanntschaft ausgesprochen, aber nicht in der ordinären Weise, daß sie gleich zum Kaffee gebeten, sondern sie hatte gesagt, das würde sich ja schon alles finden und der liebe Gott es fügen, daß die zusammen kämen, die zusammen gehörten. Aber beim Abschied – denn sie wollte noch am Krug vorfahren und einen Blick hinein thun, weil sie Freunde ihres Mannes unter den Offizieren zu sehen geglaubt – hatte sie noch von dem rothen Umschlagtuch aus Malaya ein Wort fallen lassen, und daß sie nur wünsche, daß die Mamsell Adelheid es einmal um die Schulter nehme. Das Tuch würde ihr doppelt lieb sein, wenn es dem englischen Kinde gut stände.
Der Weg ward so schwer, die Luft so drückend. Die Kinder waren müde. Nur der Kriegsrath schritt stramm voran. Da ging ein Lüftchen durch die Ulmen, aber kein erfrischendes; es war der Vorbote eines nahenden Sturmes. Vom Templower Berge kamen dicke Gewitterwolken. »Wenn uns das noch träfe!« sagte die Kriegsräthin. Es fielen die ersten Tropfen, einzelne, aber sehr schwere. »Herr Jesus, Mann, ob's nicht besser wäre, wenn wir umkehren ins Dorf? Die Stadt erreichen wir nicht mehr.« – Der Kriegsrath wies schweigend mit dem Stock zurück: »Ich kehre nicht um.« Hinter ihnen war die dunkle Wetterwand aufgestiegen, von Blitzen schon durchzuckt und am sternenflimmernden Horizont näherte sich die Wand den beiden Wolken. »Wenn das zusammenstößt!« – »Wenn das uns träfe.« – »Es trifft uns schon!« Der erste Donner rollte dumpf über die Fläche. Der zweite, dritte war schon näher. Jetzt tröpfelte es nicht mehr, es prasselte. »Unter die Bäume! Dicht unter die Bäume!« rief die Mutter. Die Bäume halfen wenig, und bald hatten sie die letzte der breitwipfligen Ulmen erreicht, von wo ab das freie, weite Bachfeld vor ihnen lag, und kein Schutz vor dem Regen, der nicht mehr strömte, es schoß und goß.
Sie standen unter der letzten Ulme, die dicht um ihren Stamm noch ein Wetterdach vor dem Wolkenbruch von oben gewährte, aber nicht vor dem Regen, den der Wind heranschlug. Sie standen auf den vom Erdreich losgespülten Wurzeln, um nicht im puren Wasser zu stehen, das schon über den Boden wallte; Jette hatte sich im Gehen Strümpfe und Schuhe abgestreift, ihr Sonntagszeug nicht zu verderben. Die Frauen schürzten ihre Kleider; schickte es sich aber auch für sie, die Schuhe auszuziehen? – »Die Kinder aufgenommen!« rief der Vater. Jette hatte den Kleinsten auf die Schulter gepackt, Adelheid dafür den von ländlichen Einkäufen schweren Korb aufgenommen. Der Vater wollte die Clara aufheben, das Wasser, das aus seinem dreieckigen Hute, wie aus einer Rinne goß, überschüttete das Kind. Das dritte nahmen sie
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