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Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht

Titel: Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willibald Alexis
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Weile neben einander, ohne zu sprechen; ihre Gedanken schienen sich zu begegnen: »Wir kennen sie eigentlich nicht.« – »Wenn Du nur gefragt hättest, wo sie wohnt?« sagte nach einer Pause die Frau. »Aber die Adelheid weiß, wo wir wohnen, und sie ist ja kein Kind mehr.«
    Eine neue Pause. Sie näherten sich schon dem Thore: »Wenn wir sie nun nicht zu Hause finden!«
    Die Kriegsräthin hatte keine Antwort darauf. Es presste sie etwas auf der Brust. Sie strengte sich an, mit ihrem Manne Schritt zu halten. Da musste am Thor noch die Schildwacht ihnen Stillstand gebieten und der Thorschreiber den Korb der Jette untersuchen. Der Kriegsrath musste seine Börse ziehen, um einige Groschen Accise zu zahlen, und die Sohlen brannten ihnen unter den Füßen. Selbst über den schönen Stern in der Mitte des Platzes, der seine Strahlen von großen und kleinen Pflastersteinen ausgießt, eilten sie, ohne einen Blick dahin zu werfen, was der Jette unbegreiflich schien, denn es war doch die größte Merkwürdigkeit von Berlin, die jeder Handwerksbursche gesehen haben musste; sonst war er nicht in Berlin gewesen.
    Der schöne Stern ist längst verschwunden. Auf seinem Kernpunkt steht die Friedensgöttin, die man aufgerichtet, als der Friede anfing aufzuhören. Auf einer spitzen Säule flattert sie in die Luft, wie der Vogel, der mit einem Fuß auf der Dachfirste Posto gefasst, und sich umschaut, ob es drüben geheuer ist.
    Die große Friedrichsstraße war ihnen nie so lang vorgekommen; und doch eilten sie, daß der Kriegsräthin der Athem verging. Die Jette dachte mit dem schweren Korb: Ich bin doch auch ein Mensch! – An den Fenstern zählten sie die Lichter. Würden sie ihre Wohnung dunkel finden? »Wenn's um diese Ecke, das Haus da, hell ist,« sagte sich die Mutter, »dann finden wir's auch bei uns hell.« Einmal war es dunkel, dann wieder hell. Man muß an ein Orakel nicht zu oft dieselbe Frage stellen. Der Vater dachte an die Schwalben, die Schüsse gehört und Brannstgeruch gerochen, und mit gestreckten Flügeln schießen, ob sie ihr Nest noch finden. Aber er hatte keinen Schuß gehört, und keinen Brannstgeruch empfunden. Die Frau Kriegsräthin beruhigte sich auch: wie schrecklich hatte nicht die Obristin die Angst und das Unglück der armen Eltern gemalt, denen die Seiltänzer ihre Kinder stehlen.
    Beide sagten sich, sie wären beruhigt, aber Beider Herz klopfte, daß Jeder das des Andern hätte können schlagen hören, als sie um die letzte Ecke zum Gensd'armenmarkt bogen. – Zwei Herzen und ein Schlag, ein freudiges Ah! Ihre Fenster waren hell, sehr hell. – Die Hausthür offen. Die Magd des Wirthes kam ihnen entgegen: »Na, Gott sei Dank, daß Sie da sind. Die Mamsell und die Kinder haben sich schon zu Tode geängstigt.« – Auf der halben Treppe sprang ihnen Adelheid entgegen: »Ach, mein lieber Vater, meine liebe Mutter! Gott sei Dank.« – Der Vater drückte sie an seine Brust, die Mutter riß sie an sich. »Ach, und Ihr seid ganz durchnässt. Schnell, schnell, oben liegt Alles schon bereit.« Die Kleinen waren schon umgezogen in trocknen Kleidern. »Das hat Alles die Adelheid gethan!« – »Nicht alles, Mütterchen, die Jülli und die Karoline halfen, ach die gute Frau Obristin hat für uns gesorgt wie eine Mutter.«
    »Hat Euch im Wagen hergebracht?«
    »Und war auch so naß und müde von der Reise. Aber Gott bewahre! Anvertrautes Gut muß man eher zurückliefern, als man an seines denkt, sagte sie. Und Euer Vater ist ein guter Diener seines Königs. Und der König geht vor allem, und heut ist sein Geburtstag. Denkt Euch, als wir ausgestiegen waren, wollte sie die Kutsche zurückschicken, um Euch holen zu lassen. Aber der Kutscher war ein garstiger Mensch. Er fluchte, um solches Rackerzeug sollte er auch wohl noch seine Pferde ruiniren. Die gute Obristin wurde ganz erschrocken, und steckte ihm noch Geld zu, daß er nur ruhig wäre, denn es wäre ja des Königs Geburtstag und darauf sollte er trinken.«
    »Unverschämtes Volk!« rief der Kriegsrath, seinen Stock erhebend.
    »O, das ist noch nicht Alles,« sagte Adelheid, »kommt nur herein und seht!«
    Sie traten in das helle Zimmer. Eine Punschbowle dampfte über einem Kohlenbecken.
    »Das hat alles die Obristin für Euch besorgt, damit Euch die Erkältung nichts schadet. Die Karoline musste selbst zum Kaufmann, die Citronen und den Rum kaufen, und die Gustel unten kochte das Wasser, und dann erst gingen sie, und wollten nicht bleiben, um Euch nicht zu

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