Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht
stören. Und so herzliche Grüße haben sie mir aufgetragen, daß ich sie gar nicht bestellen kann.«
Mann und Frau saßen noch um Mitternacht am Tisch sich gegenüber, der Kriegsrath in seinem geblümten Schlafrock und Pantoffeln, die Kriegsräthin in ihrer Dormeuse. Die Kinder waren längst im Bett, die Bowle bis auf einen kleinen Rest geleert. Den goß der Kriegsrath, redlich theilend, in die Gläser: »Es wird zu viel, Alter!« sagte die Frau.
»Wir müssen doch auf ihre Gesundheit anstoßen!«
Der Mann setzte die Pfeife fort.
»Mann, da sieht man, wie man sich täuschen kann.«
»Aber 's ist gut, wenn man's wieder gut machen kann.«
Gläser mit Punsch klingen nicht so hell wie mit Wein, aber die Herzen klangen. Der Kriegsrath ging sehr vergnügt, aber nicht so kerzengrad wie am Tage, nach seinem Bett. Die Kriegsräthin leerte noch den Rest ihres Glases im Stillen. Sie trank auf das Glück ihrer Familie und auf die Aussichten, die sich mit einem Male ihr so reich und wunderbar eröffneten. »Uns kommt alles unverhofft!« sagte sie und wischte eine Thräne der Rührung aus dem Auge. Im Bette hatten die Eheleute sich besprechen wollen, was sie thun müssten, um es der Obristin zu vergelten, Es hatten sich darüber Ansichtsverschiedenheiten gezeigt, die in Güte beigelegt werden sollten, aber man hörte bald nur eine vollkommene Harmonie – im Schnarchen.
Die Gefühle der Dankbarkeit waren am andern Morgen nicht erloschen, aber etwas abgekühlt. Gestern wollte der Kriegsrath, sobald er aufgestanden, der Obristin seine Aufwartung machen. Heute fand die Frau, daß eine Visite so früh am Tage bei einer vornehmen Dame sich nicht schicke. Der Mann aber dachte, daß er ja ins Bureau müsse, und Herrendienst geht sogar dem Gottesdienst vor, sagen die Geschäftsmänner. Es war aber noch ein Grund, weshalb es nicht ging; sie wussten ja nicht, wo die Obristin wohnte. Wohnungsanzeiger gab es noch nicht. Der Kriegsrath wollte sich im Bureau danach erkundigen.
Der Kriegsrath kam heute spät nach Hause. Seine Nachforschungen nach der Obristin waren nicht glücklich gewesen. Man glaubte wohl den Namen gehört zu haben, wusste aber nichts Gewisses. Uebrigens hatte das nichts Auffallendes, denn es hielten sich jetzt viele vornehme Familien aus der Fremde in Berlin auf. Da wäre eine russische Fürstin hier, und Damen und Herren vom höchsten Stande aus Frankreich und England, von denen man wohl wisse, daß sie andere Namen führten, als ihnen zukämen, aber die Polizei kümmere sich nicht um ihr Incognito, oder drücke ein Auge zu, weil sie mit dem Hofe und den Ministern ins Geheim verkehrten, damit andre Mächte nicht aufmerksam würden, und plötzlich würde aus Einem oder dem Andern, der in einer Winkelgasse wohnt, der außerordentliche Ambassadeur eines hohen Potentaten. Denn ganz Europa blickte jetzt erwartungsvoll auf Preußen, »und wie es sich jetzt entscheidet, das giebt den Ausschlag.«
Die Kriegsräthin hatte mit sichtlicher Ungeduld, ihm auch etwas mitzutheilen, zugehört, aber die Nachricht schien sie einzuschüchtern: »Ach Gott, das wäre ja viel zu vornehm für uns!«
»Die Allervornehmsten sind oft die Allerleutseligsten.«
»Ja, und das war sie,« brach es heraus, »ihr Gesicht strahlte von Freude. Männchen, wir sind glücklicher gewesen als Du. Als wir eben dasaßen, die Adelheid und ich, und überlegten, was wir anziehen sollten, wenn wir sie besuchten, klingelte es, und wer trat ein? – Sie selbst. Wir waren Beide einig, daß wir uns nicht sehen lassen konnten, aber sie sagte, sie müsste uns sehen, und sie hätte die ganze Nacht keine Ruhe gehabt, ob's uns auch bekommen wäre? Ich sage Dir, nein, es war eine Liebenswürdigkeit, als wenn wir alte Freunde wären.«
»Da seid Ihr gewiß schon heut zum Kaffee invitirt!«
»Nein, das bedauerte sie eben so sehr, daß sie uns in den ersten Tagen nicht bei sich sehen könnte, denn sie hätte das Haus voll Unruhe gefunden. Nichts wäre gemacht, wie sie's bestellt und sie müsste Tapeten runter reißen lassen und Gott weiß was.«
»Aber wo wohnt sie?«
»Wir sollen's gar nicht wissen, bis sie in Ordnung ist. Aber bei uns wird sie ein Mal ansprechen und mit 'ner Tasse Kaffee verlieb nehmen. Doch ganz unter uns, wie wir sind, ohne Umstände, und wir sollten Niemand dazu bitten. Oder sie wird auch mal vorfahren und anfragen, ob einer von uns mit ihnen spazieren fahren will? Alter, weißt Du, sie meint, Du säßest zu viel, Du müsstest Dir mehr Bewegung
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