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Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht

Titel: Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willibald Alexis
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Schale Kaffee. In seiner Jugend hat er in Leipzig studirt, da haben wir geplaudert von – ich sage Ihnen, ein charmanter Mann.«
    Der Kriegsrath seufzte: »Ach Leipzig! Sie wissen nicht, was mich das gekostet hat.«
    »Ja 's ist theures Pflaster, und gar in der Messe. Na, das freut mich aber, daß Herr Kriegsrath auch da waren.«
    »Mich gar nicht, liebe Frau Obristin,« sagte der Kriegsrath, der gemüthlich seine Pfeife ausklopfte. »Es kostet mich meine Karriere. Ich ließ mich, da ich in Halle studirte, verführen, mit andern meiner älteren Kommilitonen einmal nach Leipzig hinüber zu reiten. Nur einen Tag; am nächsten kehrten wir zurück. Als mein Vater es erfuhr, bekam ich einen Brief. Das war ein Brief, nicht mit Dinte, mit Feuer geschrieben und Pech und Schwefel darauf! Der verlorne Sohn in der Bibel wird keinen solchen Brief erhalten haben, sonst wäre er nicht verloren gegangen. Ich musste auf der Stelle zurück. Da standen schon die Pedelle, vom Rektor geschickt, und brachten mich auf die Post, und der Herr Postverwalter hatte mir einen Platz bestellt, neben dem Schirrmeister, daß er auf mich Acht habe. Und als ich nun ins elterliche Haus kam! Meine arme Mutter in Thränen und meine Schwestern! Acht Tage ward ich in eine Kammer gesperrt, fast bei Wasser und Brod und musste die Psalmen auswendig lernen. Aber das war noch gar nichts dagegen, wie mein Vater mir da am achten Tage selbst die Thür öffnete, und mich so mit untergeschlagenen Armen ansah, ein Blick, daß mir das Herz im Leibe zu Stein ward, und mir ankündigte, daß es nun mit meinem Studiren aus sei. Nun versuche, Du ungerathener Sohn, sprach er, ob Du durch Dein ferneres Leben es wieder gut machen kannst, daß Du Deines Vaters Schweiß und Deiner Mutter und Schwester saure Händearbeit zu solchen Extravaganzen vergeudet hast. Der Bauerwagen stand vor der Thür, der mich in eine kleine Stadt brachte, wo ich als unterster Schreiber in einer Packkammer meine neue Carrierr anfangen musste. Sehn Sie, das kostet mich Leipzig!«
    Die Kriegsräthin war erstaunt, aber nicht ganz unzufrieden, daß ihr Mann durch die Obristin zu solchen vertraulichen Mittheilungen sich hinreißen ließ. Diese machte ihm ein Compliment: »wer weiß, wozu es gut gewesen. Die Studirten kämen oft nicht weiter, und wer klein anfinge, der hörte oft groß auf.«
    »Mein Vater war ein strenger Mann, aber ein braver Mann, und er hatte Recht,« sagte der Kriegsrath. »Denn meine Eltern mussten sich's schwer verdienen, daß sie nur durchkamen. Und was hatte ich in Leipzig zu suchen!«
    Das gefiel der Kriegsräthin wieder nicht, daß er zu erzählen anfing, wie knapp es in seinem älterlichen Hause zugegangen. Die Obristin horchte aber sehr theilnehmend.
    Jetzt kamen auch die jungen Mädchen zurück. Sie hatten unter sich ausgemacht, nichts von dem Abenteuer zu erwähnen. Jülli und Karoline sprangen, als wäre nichts vorgefallen, Adelheid ging langsamer und bückte sich oft. Schlug ihr das Gewissen, daß sie etwas nicht Erlaubtes gethan, oder daß sie darauf eingegangen, es zu verschweigen? Die Aufforderung, für das Abendessen zu sorgen, war ihr willkommen. Im Hause schlüpfte sie rasch in die dunkle Hinterkammer und setzte den Fuß auf den Schemel, um mit einigen Flachsfäden aus dem Spinnrocken den Strumpf fest zu binden. War es die alte Wanduhr oder ihr Herz, das so laut schlug? Ein heiseres Gelächter schallte plötzlich hinter ihr. Die Alte hatte sich aufgerichtet und stierte sie mit dem unheimlichen Gesichtsausdruck an: »Verloren – Strumpfband verloren! – hi! hi! hi! Das bedeutet was. – Der's fand, wird sich freuen. Hi, hi, hi!« – Das junge Mädchen floh, wie vor dem Spottgesang böser Geister.
    Die Satte mit dicker Milch fand kein so frohes Publikum um sich versammelt, als der Milchreis zu Mittag. Die Kinder waren müde, die jungen Mädchen in Gedanken, die Aelteren hatten sich ausgesprochen. Alle drückte die Schwüle des Tages, der zum Abend geworden.
    Aus dem Kruge schallte Tanzmusik. Reiter gallopirten auf dem Fahrwege heran, es waren Gensd'armerieoffiziere. Sie hielten plötzlich an, und lorgnettirten die Gesellschaft. Mit einem hässlichen Gelächter gab der eine ein Zeichen. Die Frauen schrieen, sie glaubten, die Reiter wollten den Tisch umreiten; sie ritten nur um den Tisch, einer hinter dem andern im Kreise, oft so nahe, daß die Pferde die Stuhllehnen berührten. Die Kriegsräthin ward blaß vor Schreck, der Kriegsrath vor Unwillen, die jungen

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