Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht
paralysirt.«
»Wer denkt an das! – Im Innern droht der Feind, Bovillard – Stein wird ins Ministerium treten.«
»Der Freiherr von Stein!«
»Stein vom Stein!«
Der Geheimrath war ein Mann, der sich nicht leicht aus der Fassung bringen ließ. Der Minister konnte ein Lächeln nicht unterdrücken, als er sein verlängertes Gesicht sah.
»Wer hätte es noch vorgestern erwartet! Man hat dem Könige seine außerordentlichen Verdienste in Westphalen, seine Rechtschaffenheit, seinen graden Sinn, seine hohe Geburt unterbreitet, man hat –«
»Wer?«
»Ein guter Freund von uns, Bovillard. Wer anders als Beyme.«
»Ist Beyme toll?«
»Man sagt, er hätte zuweilen Gewissensskrupel, daß er sich uns so unbedingt anschließt.«
»Die Schrullen vom Kammergericht. Was habe ich mir Mühe gegeben, ihn davon los zu bringen.«
»Es ist mit den Juristen, wie mit Ihren Puppen und Vogelscheuchen, Bovillard. In der Regel sind sie trefflich zu nutzen, wenn man ihr Formelwesen sich zum Panzer ajustirt, wenn sie aber widerborstig werden, sind sie Stacheln in unserm Fleisch. Beyme hat den Vortrag an den König aufgesetzt.«
»Und hinter ihm diktirte –? Wer, bester Freund, könnte unsere Aufmerksamkeit so getäuscht haben! Hardenberg?«
»Wird ihn vielleicht nicht grade wünschen, aber noch mehr fürchten, daß er ihn zu fürchten scheinen könnte. Hardenberg ist ein Spekulant auf die Zukunft, der sich um deßwillen den Genuß der Gegenwart nicht will trüben lassen. Er möchte gern aus der Vogelperspektive die Dinge betrachten, um, wenn seine Zeit gekommen, auf seine Beute herabzuschießen. Daß die Zeit jetzt für ihn noch nicht da ist, sieht er ein.«
»Aber wer in aller Welt steckt hinter Beyme?«
»Wir müssen höher suchen. Einer sehr tugendhaften Frau am Hofe sind wir nicht tugendhaft genug, lieber Bovillard.«
» Der wird der Hecht im Karpfenteich,« rief der Geheimrath.
»Ja, wenn er hier agirt wie in seinem Westphalen! Ich bestreite durchaus nicht Steins Verdienste. O, er hat charmant administrirt, was Steine anbetrifft und Wege und Metalle. Nur mit den Menschen hat er eine eigenthümliche Art umzugehen.«
»Der Herr Oberpräsident waren ja ein kleiner König von Westphalen.«
»Und er wird sich hier nicht degradiren wollen. Ich sehe schon, wie er sein Bureau reformirt; das möchten wir ihm immerhin lassen, aber von seinem Finanz-Kastell aus wird er Invektiven, Aggressionen, Blitze nach allen Seiten schleudern. Der Hitzkopf kann nun einmal nicht aus seiner Natur.«
»Mit dem feinen Ton unserer Societé ist's aus. Wie war der Brief an den Herzog von Nassau, an ein regierendes Haupt! Excellenz, ich weiß Geschichten von seiner Grobheit.«
»Ich kenne sie auch und seinen Ungestüm. Er wird mit dem Könige selbst aneinander gerathen!«
»Desto besser!«
»Sagen Sie das nicht, Bovillard. Der König hält allerdings auf seine Würde. Es ist aber eben so möglich, daß er sich in seine Art fügt. Hat er sich einmal darin gefunden, eine gewisse Estime für seinen Charakter empfangen, und sieht er, daß das Staatsschiff so leidlich dabei fortsteuert, so kennen Sie ja des Monarchen Natur, die vor jeder durchgreifenden Aenderung eine Scheu hat. Selbst ihm unliebsame Personen lässt er in ihren Aemtern und am Ende gewöhnt er sich auch an das Toben seines Premiers; denn daß Stein das wird, wenn er erst einen Fußtritt im Ministerium hat, können Sie glauben.«
»Was haben wir da zu thun?« fragte der Geheimrath aufspringend.
Der Minister erhob sich langsam, es schien wie von einer schweren Sitzung.
»Wir! Nichts, Bovillard, Wir fügen uns als Philosophen in das was nicht zu ändern ist. Mich persönlich kümmert es nicht. Bedarf der König meiner Dienste nicht mehr, so danke ich ihm aufrichtig für das mir so lange geschenkte Vertrauen und singe mit ebenso aufrichtigem Herzen mein:
beatus ille, qui procul negotiis
und die
paterna rura
sollen mir doppelt willkommen sein.«
»Aber der Staat, Excellenz!«
Der Minister sah ihn mit einem schlauen Blick unter den herabgezogenen Augenbrauen an: »I, der wird wohl auch ohne uns bestehen.«
Es trat eine neue Pause ein; sie gingen langsam dem Hause zu.
»Sie, und unsre Freunde allein thun mir leid. Er ist jeder Zoll ein Reichsfreiherr. Seiner Majestät Diener wird er empfinden lassen, daß ein Unterschied ist zwischen Dienern und Dienern. Er hat gar kein Hehl, daß er Lombard nicht leiden kann; ja, er hat eine recht reichsfreiherrliche Verachtung gegen den Sohn des
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