Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht

Titel: Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willibald Alexis
Vom Netzwerk:
St. Real fort. »Sie rühmte gegen Komteß Laura die alte Familie der Stein; von Männern solcher Abkunft könne man sich versprechen, daß sie wieder die nöthigen Dehors auch an den Hof bringen werden.«
    »Charmant!« Man ließ bei Gläserklang die alte Voß leben. Der weiße, prickelnde Burgunder schärft die Zunge, man schärfte die Darstellung von Anekdoten, die Jeder kannte, aber Jeder gern wiederhörte, bis sie für den
haut goût
appretirt waren, und unter allen guten Eigenschaften ihnen nur eine abging, die Wahrheit.
    »Aber wir kommen von der Sache ab. Was erfuhren Sie von Ihr?«
    »Nicht mehr, als sie mich errathen ließ, und ich eigentlich schon wusste, daß die Königin dahinter steckte. Geben Sie nur Acht, flüsterte sie mir zu, wenn Ihro Majestät herauskommt.«
    »Und?«
    »Ihro Majestät kamen bald heraus.«
    »Und?«
    »S' ist doch eine wunderschöne Frau! Ihr schwarzes Atlaskleid rauschte über die Schwelle, und, war's Zufall oder Absicht, die Thüre klappte hinter ihr, daß mir's noch ins Ohr gellt. Die Oberlippe ein Bischen eingekniffen, Keinen von uns ansehend, raus war sie, und winkte nur der Berg, ihr zu folgen.«
    »Und das ist Alles?«
    »Mich dünkt, genug.«
    »Man kann sich täuschen.«
    »Meine Ohren, Excellenz, sind sehr scharf. Wenn ich im blauen Saal die Stiefeln Sr. Majestät im rothen Zimmer knarren höre, weiß ich, was die Glocke geschlagen hat.«
    »Ging also unruhig auf und ab?«
    »Wir sahen uns an und dankten Gott, daß nur ein Stein gefallen war.«
    »Er ist also?«
    »Ist! Bald kam Beyme heraus, dann auch Köckeritz. Beyme fragte nach der Berg. Da sie fort war, wandte er sich an die Voß und zuckte die Achseln:
›Madame, j'ai fait mon possible!‹
Zwischen den Zähnen murmelte er:
›ultra posse nemo obligatur.‹
Nachher schenkte uns Köckeritz reinen Wein ein.«
    »Excellenz,« rief Bovillard bei einer neuen Flasche, »dieser St. Peray ist gewiß reiner.«
    »Hatte die Radziwill zu stark urgirt, ein neuer Geniestreich des Prinzen ihn verdrossen?« Der Minister setzte hinzu: »Ehe ich die Motive nicht kenne, bezweifle ich doch das Faktum.«
    »Was bedarf es der Motive! Natur,
rien que de la nature!
Er hatte sich beschmeicheln lassen, unter Händedrücken das halbe Versprechen gegeben. Dann gereute es ihn. War schon gestern Abend umhergegangen, die Hände auf dem Rücken. Die Berg hatte ein Selbstgespräch belauscht: ›Man will mir auch meine Minister machen!‹ Leider hatte sie nicht mehr Gelegenheit, die Königin davon zu avertiren. Heute Morgen muß ihm ein Blatt in die Hände fallen, worin die Kindesmörderin eine irrende Schwester genannt wird, ein Opfer der gesellschaftlichen Verhältnisse. Es war mit etwas Emphase ihre Geschichte erzählt. Resultat: Sie waren aigrirt, sehr aigrirt. Ob die gelehrten Herren auch die expressen Worte Gottes fortkorrigiren wollten: Wer Menschenblut vergießt, dessen Blut soll wieder vergossen werden? Man antwortete, der Verfasser sei kein Gelehrter, sondern eines von den jungen Genies. – ›Die eine verkehrte Welt machen wollen!‹ brach es nun heraus. ›Will aber keine verkehrte Welt aus meinem Reiche machen; soll Alles in der Ordnung bleiben. Leute waren doch sonst mit mir zufrieden. Schöne Wirthschaft, würden die Herren Genies anfangen, alles auf den Kopf zu stellen. Kindermörderinnen am Ende noch belohnen!‹ Während sie sich nun noch so expektorirten, kommt Beyme zum Vortrag, der wirklich nichts davon wusste, und indem er die Gründe für Steins Anstellung resumirt, entfährt ihm unglücklicherweise der Ausdruck: vor seinem Genie würden auch die und die Vorurtheile sich beugen. Da war's um ihn geschehen! Der König sagte, er brauche keine Genies, er wolle keine Genies und – das Uebrige können Sie sich selbst erzählen.«
    Bovillard goß den Rest der zweiten Flasche in das Glas und erhob es: »Angestoßen, Freunde! Auf das Andenken der Kindesmörderin! Seelige verirrte Schwester, dieser Tropfen sei Dir geweiht, daß Du Preußen vor Ministern bewahrt hast, die Genies sind! – Was stiert Excellenz Christian ins Glas und trinkt nicht? Suchst Du im Wein nach einem untergegangenen Genie? Verlorne Mühe. Ertrunkenes lebt nicht wieder auf.«
    »Mir kommt nur der Gedanke,« sagte der Minister nach einer Pause, »ob eine Regierung denn überhaupt der Genies bedarf. Unser Minos vom Kammergericht fertigte neulich einen Bekannten, der ihm einen genialen Juristen für das Kollegium empfahl, mit den Worten ab: ›Ich brauche nur zwei

Weitere Kostenlose Bücher