Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht
diese Männer zu schützen. Eure Majestät können ihnen keine willkommenere Rechtfertigung gewähren, als wenn Sie das Recht, und nur das Recht walten lassen. Was ist ein Staat ohne Moralität seiner Bürger, was eine Monarchie, wo der Beamte nicht in Unbescholtenheit und sittlicher Würde wenigstens nachzueifern strebt, dem erhabenen Exempel, welches sein Oberhaupt dem Lande und Volke täglich giebt.‹
»Wunderschön!« Es entfuhr unwillkürlich den Lippen des Geheimraths und er steckte das Konzept in die Brusttasche. »Die Excellenz wird sich wenigstens eingestehen müssen, daß sie Räthe um sich hat, die auf ihre Ideen einzugehen wissen. Das kann man auch dem Herrn von Stein unter die Nase halten.«
Welcher Glanz leuchtete auf der Stirn des Ministers. St. Real stand hinter dem Lehnsessel und wiegte sich in Wohlbehagen, während der Hausherr auf und ab ging. Als er den Geheimrath eintreten sah, hielt er ihm die Hand entgegen: »Wissen Sie schon, Bovillard?«
»Nichts, Excellenz, als daß Ihre Ansichten mich überführt haben.«
»Lassen Sie sich's von St. Real sagen.« Er warf sich in den Fauteuil, überschlug die Beine und rieb die Hände.
»Seine Majestät haben in Gnaden die Anstellung des Herrn von Stein abgelehnt.«
»Stein wird nicht Finanzminister,« wiederholte der Minister.
»Da fällt uns also ein Stein vom Herzen!«
Bovillard's Bonmot, so leicht es war, fand empfängliche Herzen. Gut, daß kein Lauscherauge in den Pavillon drang. Es hätte Mienen, Bewegungen und Gesten gesehen, schwer verträglich mit der ministeriellen Autorität eines Großstaates. Nur der Geheimrath hatte rasch eine Flasche entkorkt, um ein Glas hinunterzustürzen, aber die Physiognomien erinnerten einen Augenblick an die faunischen Gesichter, welche Rubens' Pinsel so unvergleichlich auf die Leinwand warf. Belauschte Augenblicke der kanibalischen Natur im Menschen, die nun ewig geworden sind durch die Kunst. Wenn Jemandem, wem darf man es weniger verargen als einem Staatsmann, wenn er im unbelauschten Augenblick die geglättete Maske fallen lässt, um einmal wenigstens in der ursprünglichen sich vor sich selbst zu sehen.
»Nun heraus! Wie war's?« rief der Geheimrath am Tische, indem er einen tief aushöhlenden Schnitt in die Leberpastete that. Ich vergaß zu sagen, daß man die Thüren vorher verschlossen, und auch noch die Gardinen vor die mit Weinreben fest umrankten Fenster gezogen, – der Kühlung wegen, hieß es. Es war allerdings ein sehr heißer Tag geworden! Vorher aber war der Haushofmeister auf besondere Ordre des Ministers selbst in die Keller gestiegen, und ein Korb mit Flaschen, staubig, kalkigt, mit Spinneweben umwoben, stand in Folge dessen am Tische. Auf demselben hatten sich aber neben der Straßburgerin noch Schüsseln des verschiedensten Inhalts aus verschiedenen Weltgegenden eingefunden, »ein Frühstück, wie's ein schlichter Mann guten Freunden eben vorsetzt, die nach dem Herzen sehen, nicht auf den Werth«, hatte der Minister gesagt. Was bedurfte es der Aufwartung unter ein paar traulich beisammensitzenden Freunden! Darum sollte Niemand gemeldet, Niemand eingelassen werden, und der gütige Wirth selbst nahm den Pfropfenzieher zur Hand.
»Die Geschichte ist eigentlich sehr einfach,« sagte St. Real. »Gestern Abend war der König noch dafür gestimmt. So nahmen wir's wenigstens an. Sie mögen sich das Geflüster in den Vorzimmern denken, die Fragen, die man hören musste. Die Damen wollten wissen, ob der Herr von Stein noch ein junger Mann wäre? Ob er ein Haus mache? Ob er ästhetisch ist? Ob er lieber Jean Paul liest oder Lafontaine, und Schiller oder Goethe vorzieht? Die Herren steckten die Köpfe zusammen. Es wusste eigentlich Niemand, woher der Wind blies, denn, wenn man auch sagte, Beyme hat Lombards Abwesenheit benutzt, so erklärte das wieder nicht, warum Beyme gegen seinen Freund intriguiren sollte. Andere kalkulirten gar, die ganze Sache ginge von Lombard selbst aus, er wünsche solchen Mauerbrecher in des Königs Nähe, entweder um Andre damit aus dem Weg zu räumen, oder er wünsche, daß die höchste Person es einmal empfinde, wie unangenehm der Umgang mit einem deutschen Degenknopf ist.«
»Thorheit!« sagte der Minister.
»Und doch vielleicht nicht übel spekulirt.«
»Nichts, meine Freunde,« entgegnete Jener, »lernt sich leichter an Höfen, als das Vergessen ehemaliger Freunde. Nur die Kränkungen vergisst man dort nie.«
»Die alte Voß ließ für mich keinen Zweifel,« fuhr
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