Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht

Titel: Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willibald Alexis
Vom Netzwerk:
lassen. Man erreicht weder ihre Größe, noch ihre Einfachheit.«
    Der Geheimrath empfand in dem Augenblick eine unangenehme Berührung auf dem Rücken. Der Minister zuckte sogar schmerzlich zusammen, denn eins der Kieselsteinchen, mit denen beide beworfen wurden, hatte ihn in dem Nacken getroffen.
     
Sechszehntes Kapitel.
     
Von Urmenschen und großen Menschen im Schlafrock.
    »Verfluchter Junge!« entschlüpfte es ihm, indem er sich umdrehend die Hand erhob. »Jean, oder warst Du es, Jacques! Du siehst doch, ich bin nicht allein.«
    Statt der Antwort flog ein neuer Steinhagel. Er kam aus den Aesten einer der Ulmen, die in einiger Entfernung durch ein seichtes Wasser von ihnen getrennt in einer Gruppe Buschwerk standen. Bovillards Lorgnette entdeckte in den Aesten einen der Knaben des Ministers, einen andern am Ufer als wilder Mann kostümirt. Dieser schrie, auf seine Keule gestützt, in unartikulirten Tönen, deren leicht verständlicher Sinn war, daß sie Riesen oder Waldmenschen wären, denen dieser Wald gehöre, und daß kein Fremdling aus der feigen, schwächlichen Menschenrace sich in ihr Territorium ungestraft verirren dürfe.
    »Da werden wir wohl unterhandeln müssen, lieber Bovillard.«
    »Ah, Dero Herren Söhne – spielen Ritter.«
    »Die Passion ist vorbei, sie wollen nichts als Menschen, Urmenschen sein. Na, Jean, Jacques, sagt, was wollt Ihr denn von uns?«
    »Jean! Jacques! Sind Ihnen Ihre Taufnamen Hugo und Busso nicht urmenschlich genug?«
    »Eine Passion meiner Frau.« Der Minister verneigte sich: »Also Ihr großmächtigen Herren der Insel und Gebietiger des Waldes, was fordert Ihr von uns armen Menschenkindern, damit wir unter Eurer Gnade einen ungehinderten Durchweg haben?«
    Während die Knaben dies »freche Ansinnen,« wie sie es nannten, in Ueberlegung ziehen wollten, und dazu der eine Waldmensch vom Baume herabrutschte, hatte Bovillard Zeit, die Insel zu betrachten, von deren Existenz er noch nichts wusste. Sie war sichtlich erst vor Kurzem gegraben, so wie die künstliche Höhle, aufgeschüttet von Erdreich, Aesten und Moos, mit rohem Tisch und Bänken, und ein schadhaftes Bärenfell, das am Eingang hing, verrieth an seiner Furnitur, daß es von irgend einem Liebhabertheater stammte.
    Der Riese, indem er den Blätterkranz auf der Stirn zurecht rückte, während der Andere das Bärenfell auf die Erde breitete und sich in malerischer Position hinwarf, stellte nun in einer schwulstigen Knabenrede an die jämmerlichen Wichte und elenden Kreaturen der Civilisation seine Forderungen und Vorstellungen: daß sie, die auf Lotterbetten lägen und den Gaumen kitzelten mit feinen Weinen und Speisen, ihnen, den Waldmenschen, die auf Wurzeln schliefen und von Eicheln lebten, ihr Trank das klare Quellwasser, ihr Becher die Hand, nicht einmal ihr letztes Asyl, die Waldwildniß gönnten. Wohl kennten sie, die Urmenschen, die Arglist ihrer Verfolger, die ihnen die Erde entrissen, und sie wilde Männer schalten, und daß sie nur kämen, um sie auszukundschaften und durch gleisnerische Worte zu betrügen. Eigentlich sollten sie nun zu ihrer Rettung die verrätherischen Spione der Kulturmenschen vernichten, aber die Waldmenschen wären großmüthiger, sie wollten ihre Hände nicht mit ihrem Blute besudeln, denn Allvater rausche in den Eichen über ihnen: Lasst sie noch diesmal laufen! Darum möchten sie noch diesmal laufen, mit geduckten Köpfen, die Hände auf dem Rücken, laufen, was sie könnten, denn wenn sie bis zwölf gezählt, würden sie Felsstücke auf ihre Schädel nachschleudern.
    »C'est bien joli!«
sagte der Geheimrath und klopfte den Staub von den Füßen, als sie außer Athem die Büsche erreicht.
    »Ein prächtiger Junge!«
    »Aber wie kamen sie auf die Idee?«
    »Ganz ihre eigene. Das ist es eben, was mich freut. Auf einem Spaziergange im Thiergarten sprach meine Frau beim Anblick der Rousseau-Insel einige gefühlvolle Worte. Die Jungen schnappten es auf: wir mussten ihnen erklären, wer Rousseau gewesen, es kam dazu, daß sie vor Kurzem den Robinson gelesen – kurz die Jungen wollten als Einsiedler auf einer Insel leben. Sie glauben nicht, mit welchem Scharfsinn sie argumentirten. Wir riskirten, daß die Kinder uns eines Morgens fortliefen und nach der Rousseau-Insel wateten. Um den Skandal zu verhindern, ließ ich ihnen diese hier graben. Es gab eine angenehme Beschäftigung, und jetzt muß ich wirklich ihre Perseverance admiriren, mit der sie sich auf der Insel –«
    »Ennuyiren,«

Weitere Kostenlose Bücher