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Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht

Titel: Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willibald Alexis
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verdiente es schon,« meinte Karoline. »Ich liebe es gar nicht, wenn die Herren betrunken vom Frühstück kommen und glauben, sie thun uns noch eine Ehre an, wenn sie in ein anständig Haus poltern. Schmeißt sich da mir nichts dir nichts aufs Sopha, gähnt, und ehe man sich's versieht, ist er eingeschlafen. Da soll man sich wohl aus der Konversation bilden!
Ma chère tante
hat gut reden.«
    »Die vornehmen jungen Herren thun's Alle so,« warf Jülli ein.
    »Und er hat nie kein Geld, sagt
ma chère tante,
« fuhr die Andere fort, »und wenn sie nur gewusst, wie er mit seinem Vater steht, der ein sehr anständiger und vornehmer Herr ist, hätte sie ihn auch gar nicht ins Haus gelassen. Aber nun sie's weiß, soll er sich nicht mausig machen, und sie wird ihm mal den Stuhl vor die Thür setzen, daß er sich verwundern soll, hat sie gesagt. Und vollends jetzt, wo die Predigers oben sind. Still, sie kommt runter.«
    Jülli drückte ihr Gesicht an eine Scheibe, Karoline hatte sich ans andere Fenster gesetzt und eine weibliche Arbeit schnell ergriffen. Die Tante schalt. Junge Frauenzimmer müssten nicht immer am Fenster sitzen. Das gäbe übel Gerede; die Stadt sei gottlos genug, daß sie immer an Schlimmes denkt. »Was hast Du Dir wieder die Nase platt gedrückt an der Scheibe?« fuhr sie Jülli an. »Siehst Du, davon kommt die Thräne ins Auge, und das habe ich Dir gesagt, wenn eine erst anfängt, sich die Augen roth zu weinen dann ist's mit uns aus. Siehst Du etwa die Karoline weinen? Die lacht den ganzen Tag. Alles was recht ist. In der Kirche, vor unserm Herrgott soll man weinen, und das Gesicht lang ziehen, wenn der Prediger gerührt spricht, und Niemand kann mir nicht sagen, daß ich Euch nicht in die Kirche führe, und Keiner, daß Ihr nicht fein und anständig gekleidet seid, daß Ihr Euch mit Ehren sehen lassen könnt, aber zu Hause sollt Ihr nicht sein wie in der Kirche. Die hat der liebe Herrgott bauen lassen, daß man da traurig sein soll, aber die Welt daneben, daß man lustig sein soll. Und die Herrschaften, die zu uns kommen, die wollen's auch, sonst würden sie in die Kirche gehen und nicht zu uns.«
    Karoline unterbrach die Rede, indem sie hell auflachte. Wenn sie damit der eben ausgesprochenen Weisung nachkam, sündigte sie doch sogleich dagegen, indem sie das Fenster aufriß. Der Lärm und das Gelächter draußen rief indeß auch die Tante heran. An der Ecke war ein Fischmarkt, und es war nichts Ungewöhnliches, daß der altberühmte Witz der Fischweiber gegen Käufer und Neugierige eine Art Auflauf veranlasste. Diesmal war eine bestimmte Person der Gegenstand der Lustigkeit. Der ältliche Herr hatte mit den sämmtlichen Verkäuferinnen ein Geschäft angeknüpft, und nachdem er sich aus jedem Fischkasten die fettesten Karpfen und Aale zeigen lassen, alle befühlt und mit allen ihren Besitzerinnen wegen des Preises unterhandelt. Wenn das schon nicht ohne beißende Bemerkungen von beiden Seiten abgegangen war, so steigerte sich das Gezänk in das, was man in Berlin ein »Aufgebot« nennt, als der Käufer sich endlich, wie sich von selbst verstand, für die Waare nur einer Verkäuferin entschied. Die übrigen erhoben sich und überschütteten mit einer Fluth nicht schmeichelhafter Namen den Käufer, der seinerseits einen nicht gewöhnlichen Muth zeigte, denn er harrte nicht allein aus, sondern haranguirte seine Feinde durch Gegenreden. Seine graziösen Gestikulationen bewiesen, daß er der Höflichere war, und man konnte bemerken, daß in das laute Gelächter der Menge auch seine aufgebrachtesten Feindinnen einstimmten. Ein schärferer Beobachter hätte indeß darin keine Feindseligkeit, sondern nur ein Schauspiel entdeckt, das sich gewiß schon oft ereignet und zur gegenseitigen Herzenserheiterung noch oft wiederholen sollte. Diesmal mussten jedoch einige der Fischweiber in ihre Klagen und Repliken noch andere Anzüglichkeiten eingemischt haben, welche die Köchin des ältlichen Herrn veranlassten, durch deutliches Zupfen am Aermel ihn zu einem frühzeitigeren Rückzug zu veranlassen, als ihm lieb schien. Eines der Weiber, ob nun im Scherz oder Ernst, hatte ihm ein altes Fischnetz nachgeworfen mit der Bemerkung: das wolle sie ihm schenken, damit ihm seine Fische nicht durchgingen wie seine Gefangenen! Das Netz hatte unglücklicherweise seinen Kopf getroffen und die Perrücke heruntergerissen. Während die Köchin sich danach bückte, waren ihr die Fische aus dem Korb geglitten. Das Wiedereinfangen der

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