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Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht

Titel: Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willibald Alexis
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Aale verursachte allgemeine Lustigkeit und neuen Aufruhr, worüber man zuerst nicht bemerkte, daß sie ihm in der Hast die Perrücke verkehrt aufgestülpt hatte, was denn das Gelächter unwiderstehlich machte, und weder der Rückzug, noch die Adjustirung der Perrücke halfen vor dem Troß begleitender Gassenjungen und dem Gelächter der Neugierigen, welche der Lärm an die Fenster zog.
    »Ach, der Herr Geheimrath Lupinus!« hatte die Tante ausgerufen. »Das ist ein spaßiger Mann! Wie niederträchtig er ist, auch gegen die gemeinsten Leute! Sieh mal, selbst dem Apfelweib wirft er 'ne Kußhand zu, und so gravitätisch, wie zum Menuet! Seht, Kinder, daran könnt Ihr Euch ein Exempel nehmen; so wird mancher rechtschaffene Mensch auf Erden verleumdet von bösen Feinden, aber 's giebt einen Gott im Himmel und einen König auf Erden, und wer ehrlich sein Brot erwirbt und ein gefühlvolles Herz hat für seine Nebenmenschen, der geht nicht zu Schanden.«
    Aber als die vorwitzige Karoline zum Fenster sich hinausbiegen und dem Herrn Geheimrath zurufen wollte: »Warum tragen Sie nicht die Fische selbst?« drückte die Hand der Tante eine sehr vernehmliche Erinnerung auf ihre Backe: »Untersteh' Dich!« Das Fenster flog zu. Die Scene hatte sich verändert. Karoline weinte. Nur war sie keine so unterwürfige Zuhörerin.
    »Und 's ist wahr, er hat immer die Fische vom Markt getragen, mit einem Kapaun unterm Arm hab' ich ihn selbst gesehen, und darum bin ich kein schlechtes Mädchen nicht. Und das ist Wahrheit.«
    Die Obristin mäßigte sich. »Der Herr Geheimrath sei eine obrigkeitliche Person, und mit genialischen Herren müsse man's anders nehmen. Und wenn er keine Respektsperson wäre, und nicht so viele vornehme Freunde und Verwandte hätte, dann säße er jetzt Gott weiß wo. Und das einzige, was man ihm nachsagen könnte, sei seine Köchin. Gegen die Charlotte wäre schon sonst nichts zu sagen, denn sie wäre ein braves Mädchen, aber für einen vornehmen Herrn schicke sich das nicht, so was im Hause zu haben. Außer dem Hause geht das Niemand was an, hatte ihr ein sehr tugendhafter und angesehener Herr gesagt. Daß er die Charlotte auf den Markt mitnehme, wolle sie nicht gerade gut heißen, aber der Mensch, der es Jedermann recht thäte, müsste erst erfunden werden.«
    Die gute Tante hatte, je mehr sie ins Reden kam, desto mehr auszusetzen. Ja, die Predigerstöchter oben wären neugierig, wie ein neugeboren Kalb, und wenn nur ein Wagen vorbeifährt, rutschten die Köpfe zum Fenster raus. Das habe sie sich nun einmal aufgebunden, weil sie ein so gutmüthig Herz habe. Aber ihre Nichten sollten doch bedenken, daß sie nicht aus dem Kuhstall wären, und auf sich was halten. »Wie ich so alt war als Ihr, da hielt man mich für 'ne Gräfin, und ich hätte mal den Kopf umdrehen sollen auf der Straße, wie Ihr thut. Und an guten Exempeln fehlt es Euch doch nicht; in mein Haus kommen nur die feinsten Leute. Und wie sprecht Ihr mit dem Herrn Kammerherrn, der so gütig ist; ich werde manchmal purpurroth, wenn ich denke, daß er's am Hofe wieder erzählt. Merkt Ihr, dumme Liesen, denn nicht, wie er ganz anders mit der Mamsell Kriegsräthin sich unterhält, wenn die hier ist? Die weiß ihm zu antworten, daß er oft nicht weiß, was er sagen soll, so frappirt's ihn. Und das sage ich Euch, wenn sie heut zur Chokolade kommt, daß Ihr Euch nicht wieder das Maul verbrennt, Du vor allem, Karline. So ein Trampelthier merkt auch gar nicht, wie ich ihr neulich auf den Fuß trat. Denn sie ist zu ganz was anderm, weil sie ein feines sittsames Mädchen ist, und 's noch weit mehr werden wird, und Ihr könntet mal froh sein, wenn Ihr ihr die Schuhbänder zumachen dürft. Aber Mädchen, was hast Du Dir wieder die Schuhe schief getreten! Bei dem Dinge hilft doch auch keine Vernunft. Und wie breit der Fuß wird, das kommt davon, wie Du beim Tanzen ranzest. Die Jülli hat noch ein ganz schmales Füßchen; aber die hält auch auf Anstand. Und das neue Kleid, zu Weihnachten erst hast Du's gekriegt, und wie sieht's schon wieder aus, daß Gott erbarm!«
    »
Ma chère tante,
wann krieg' ich das bombasin Kleid?«
    »Ei was, lass' Dir's von den Herren schenken.«
    »Die Herren sind nicht so generös.«
    »Wenn sie Dich so mit den Beinen schlenkern sehen unter dem Stuhl, und so rekeln mit dem Ellenbogen über die Lehne, da sollen sie sich wohl Wunder was vorstellen, was Ihr seid. Zu meiner Zeit, sag' ich, kerzengrad saßen sie auf dem Stuhl, und so schlugen sie

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