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Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht

Titel: Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willibald Alexis
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solche Bagatell könnten Großmogul werden!«
    »Das erzählen Sie mir alles weiter – aber nachher.«
    »Ein einziges Hinderniß nur muß er forträumen – die Gruft in Potsdam. Darum – Sie verstehen mich. – Nun bitte ich Sie aber, als einen vernünftigen Mann, ist das ein so unübersteigliches Hinderniß? Braucht es eines Krieges um einen Leichnam? – Denn Sie werden mir wieder zugeben, es ist jetzt nur noch ein Leichnam. Sollen wir um
point d'honneur
so eigensinnig sein, darum Blut vergießen, einen Krieg anfangen, der sechszigtausend Menschen kosten kann, darum das Wohl von Hunderttausenden, von Millionen auf's Spiel setzen? Unsere Seehandlung, unsre Zuckerfiedereien, unser Messingwerk in Neustadt-Eberswalde? Ich bitte Sie, Ruh' und Frieden unserer Bürger – was wirst die Porzellanmanufaktur nicht ab: wenn auch die Juden nicht mehr kaufen müssen zu ihren Hochzeiten, wir haben ja schon die Meißner Fabrik überholt – das ist auch ein Ehrenpunkt! Und unsere Gold- und Silberfabrik, und unser Pfandbriefsystem; wir können ja Geld machen, so viel wir wollen, nur die Güter höher abgeschätzt, als sie werth sind; und alles das sollen wir leichtsinnig hinopfern um einen sogenannten Ehrenpunkt! Das fordern gewisse Menschen! Wissen Sie, was ich glaube, daß der geheime Grund von Lombards Sendung ist? – Er soll versuchen, ob Napoleon sich nicht abfinden lässt mit Friedrichs Rock und Hut. Ja, ich vermuthe noch etwas. Besteht der Kaiser drauf, so geben wir auch die Krücke, aber das wäre auch das Ultimatum – den Leichnam, nein, nimmermehr! Wenigstens für jetzt nicht. – Bester Kammerherr, ich lese Ihre Gedanken, Sie wollen sagen, das sei wieder nur ein halber Schritt, Napoleon würde doch nicht eher ruhen, bis er das Ganze, bis er Friedrichs Sarg in Paris hat, und wir würden auch da nachgeben. Möglich, aber liebster Mann, wahren Sie Ihre Zunge, wer spricht denn so was! Grade diesen Vorwurf verträgt man nicht: Halbes, immer Halbes! 'S ist richtig, aber es ist nun mal so. Wer änderts: Zwei Halbes macht ein Ganzes. Erst geben wir den Rock, und dann den Leib. Und wenn man mehr will, noch mehr, Seele und Geist, wenn – wir noch davon haben. Ein guter Unterthan, lieber St. Real findet sich in Alles. Der liebe Gott wird's zum Guten fügen, und das Genie unserer großen Staatsmänner, und wir haben einen guten König; was will man mehr!
A propos,
was halten Sie von unserm König?«
    Der Kammerherr, der sich schon zu besinnen anfing, ob nicht am Ende die Arme der Polizei denen des Rasenden vorzuziehen wären, stammelte etwas von seinem grenzenlosen Respekt vor Seiner Majestät.
    »Das ist mir sehr lieb zu hören,« sagte Bovillard, »vielleicht wissen Sie auch, warum Seine Majestät jetzt so betrübt sind.«
    »Wenn Seine Majestät in die Herzen ihrer Unterthanen blicken könnten, würden sie gewiß keinen Grund finden,« antwortete der Kammerherr, in der Angst des seinen, die Hand auf die Brust drückend.
    Bovillard war um einen Kopf größer, als der Kammerherr. Mit unterkreuzten Armen und halb gesenktem Kopf schien er mit den funkelnden Augen, die durch die Nacht glänzten, in sein Herz bohren zu wollen: »Es ist Manches faul im Lande Preußen und Mancher, der auf der Stirn das Schild eines ehrlichen Mannes trägt, ich sage es Ihnen im Vertrauen, ist ein Schurke. Im Lagerhause in der Klosterstraße wird das Soldatentuch gewebt. Schön und dicht sieht es aus und blau, wenn der Appreturbügel darüber fuhr, aber die Witterung verträgt es nicht. Und ehe er drei Monden es auf dem Leibe trug, schrumpft es im Regen zusammen, daß der Aermel dem Soldaten am Ellnbogen sitzt. Kann man jedem Soldaten einen Regenschirm in die Hand geben? Kann man mit halbnackten Soldaten Krieg führen? Wissen Sie nun, warum wir keinen Krieg führen können? Wissen Sie nun, warum Seine Majestät betrübt sind?«
    »Ich habe nichts mit den Tuchlieferungsgeschäften zu thun!« rief der Kammerherr aus. »Ich bin kaum ein Mal in meinem Leben im Lagerhause gewesen.«
    »Sie haben mit andern Lieferungsgegenständen genug zu thun, ich weiß es. Aber Vorsicht, lieber Kammerherr. Um Gottes Willen, was soll der Monarch sagen, wenn er wieder von dieser Geschichte hört!«
    »Bovillard, liebster, bester Freund, Sie werden doch nicht!«
    »Ich nicht, aber Sie können sich doch leicht vorstellen, daß Andere ihm davon sagen werden, was er wissen soll. Beim Frühstück, ehe er die letze Tasse geleert, weiß er alles, was am vorigen Tage passirt

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