Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht
während der Sprecher noch mit ängstlichen Blicken nach dem Banditen hinaufschielte, ob er nicht widersprechen werde. Der Bandit bewegte sich nicht, er schenkte ihm Gnade. Der Korporal, der sich zwischen ihn und Bovillard gestellt, um die Kollusionen zu verhindern, hörte den harten Thaler, der zufällig aus des Kammerherrn Tasche glitt, auf das Pflaster fallen. »Marsch!« kommandirte der Gefreite. »Auf die Wache! Dies ist ein anständiger Herr vom Hofe.«
Stolz wie ein König schritt Abällino nach der Wache. Der Kammerherr sank fast ohnmächtig in seine Wagenkissen zurück und stöhnte: »Das kommt davon, wenn man mit der Kanaille sich abgiebt!«
Der Vorfall der Nacht hatte in Berlin, wie man richtig vermuthet, Aufsehen und Entrüstung erregt. Um so beruhigender für alle gute Bürger wirkte ein Artikel, der einige Tage darauf in den Zeitungen erschien. Bovillard und St. Real hatten auch richtig gerechnet, daß, wer nur guten Freunden vertraut, nicht verloren ist. Der Artikel lautete:
»Es ist ein betrübendes Zeichen unserer Zeit, wenn der böse Wille aus den geringfügigsten Ereignissen Nahrung schöpft, um Mißtrauen gegen die Maßregeln der hohen Obrigkeit zu verbreiten. Kaum ist vor einigen Wochen ein Ereigniß, das man dazu benutzt, aufgeklärt und beseitigt, als man böswillig abermals einen sehr unbedeutenden Vorfall benutzt, diesmal, um ein falsches Licht auf die Moralität unserer Stadt und ihrer Bewohner zu werfen, dabei aber sich nicht entblödend, den Verdacht auf höher gestellte Personen zu lenken, als begünstigten sie die Immoralität. Damals war ein gewiß unter keinen Umständen zu billigender Exceß in unserer Vogtei Anlaß, einen unserer rechtschaffensten Staatsdiener der Connivenz mit Verbrechern zu beschuldigen. Dem Scharfblick einer hohen Person, die hier zu nennen der Respekt uns verbietet, war es vorbehalten, die Wahrheit von der Verläumdung zu unterscheiden, und den eigentlich Straffälligen das Bekenntniß ihrer alleinigen Schuld zu entlocken. – In gleicher Weise wird der traurige Exceß, welcher neulich in einer unserer belebteren Straßen stattfand, seine Aufklärung finden. Einer wohllöblichen Polizei war es keineswegs entgangen, daß das Haus einer jetzt viel genannten Dame zu Verdacht Anlaß gab. Sie vigilirte vielmehr auf dasselbe, um beim ersten gegründeten Anlaß einschreiten zu können. Bei dem wirklichen oder angeblichen Stande der Bewohnerin, und den unverdächtigen Attesten, welche dieselbe von auswärtigen Obrigkeiten mitgebracht, Staaten, mit denen unsere Regierung in Frieden lebt, war es indeß unzulässig, auf bloßen Verdacht hin einzuschreiten. Wer dies doch für gerechtfertigt hielte, theilt nicht unsere Ansicht von dem, was einer wohlgeordneten Staatsbehörde obliegt. Diesem Umstande ist's zuzuschreiben, daß es der gedachten Frau gelang, unbefangene Gemüther zu täuschen, wir wissen kaum, was wir mehr bedauern sollen, daß es ihr gelang, einen durch seinen strengen religiösen Sinn und seine Kanzelberedsamkeit gleich ausgezeichneten Geistlichen mit seiner Familie in ihrem Hause, unter dem Schilde der Gastfreundschaft aufzunehmen, oder daß sie die sittsame Tochter höchst verehrter Eltern, und eines unserer bewährtesten Staatsbeamten in ihr Haus zu verlocken wusste. Der traurige, oder wenn wir wollen, glückliche Vorfall, der sich hierauf ereignete, ist bekannt. Uebrigens hätte es dieses Vorfalls nicht bedurft; denn, wie die Erscheinung des Kommissars im selben Augenblick Jeden überzeugen sollte, der Augen dafür hat, hatte die Polizei schon die Beweise in der Stille gesammelt, die jetzt ihr Einschreiten rechtfertigten. Die Anwesenheit einer oder mehrerer angesehener Personen in dem Hause giebt zwar für diejenigen, welche am Argen Wohlgefallen haben, willkommene Nahrung. Wir lassen ihnen dieses Vergnügen, theilen aber mit jedem Gutgesinnten, der diese Herren kennt, die Ueberzeugung, daß sie nur in dem löblichsten Zwecke sich an den Ort begeben hatten. Der eine dieser Herren hat seine edle Absicht bekundet, indem er das Opfer der Intrigue, unbekümmert um die Insulten des Pöbels, von dem man doch nicht fordern darf, daß er den Schein von der Wahrheit unterscheide, aus dem Hause und ihren betrübten Eltern zugeführt hat. Wir zweifeln gar nicht, daß auch dies zu bösen Nachreden Anlaß geben wird, ebenso der Umstand, daß ein gewisser Herr in dem geräumten Quartier über Nacht zurückblieb, um Collisionen von außerhalb auf die Spur zu kommen,
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