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Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht

Titel: Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willibald Alexis
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untersucht, daß es durch den Schornstein nicht geht. Indessen kommt Zeit, kommt Rath, nämlich Dunkelheit, und im Dunkeln findet sich Manches besser, das werden Sie aus eigener Erfahrung wissen. Aber Sie sind müde, setzen Sie sich.«
    Bovillards prüfender Blick hatte schon vorher auf einem Wandbrett etwas gesehen, was die Tumultuanten übersehen haben mussten, sonst würde man es wahrscheinlich jetzt nicht mehr gesehen haben, ein Fläschchen süßen Weins mit Spitzgläsern, dahingestellt, um nach der Chokolade die Collation zu würzen. Er langte den Schatz schnell herunter, von dem er, nachdem er ihn gekostet, versicherte, es sei ein ächter Malaga, der ihnen eine wohlthätige Wärme geben werde.
    Der Kammerherr fühlte allerdings ein Bedürfniß. Er war sehr müde. Der kalte Angstschweiß stand auf seiner Stirn.
    »Ausgetrunken! ein zweites Glas!«
    »In der That eine seltsame Situation!« Indessen er trank.
    »Warum seltsam! Ein Weltmann muß sich in alle Situationen finden. Thun Sie ganz, als wären Sie zu Hause.«
    »Der Wein war doch nicht für uns bestimmt.«
    »Für mich nicht, aber für Sie.«
    »Man muß auch im Scherz ein Maß finden.«
    »Was Scherz! Das Nest ist leer, aber die Erinnerungen sind geblieben. Nicht wahr, Kammerherr? Durch diese Dämmerung schweben die Grazien. Auf den Wirth! Angestoßen!«
    »Bovillard!«
    »Bester St. Real, wir sind ja unter uns! Reden wir denn zum
profanum vulgus!
Auf den Höhen der Menschheit, wie der Dichter sie nennt, verlangt man auch Freude, den schönen Götterfunken. Wer
pour les menus plaisirs
sorgt, ist ein Wohlthäter der höheren Menschheit. Oder sind Sie traurig, daß die rauhe Hand der Wirklichkeit eingriff? Sehen Sie, ich bin Idealist; mich kümmert die Polizei nicht. Ich sehe sie noch immer schweben und tanzen, die süßen Erinnerungen und Entzückungen, die Küsse und Rosen. Eine solche Wirtschaft hat etwas ungemein Poetisches; nur das Geld darf nicht fehlen. Hätten Sie, Kammerherr, mit rechtem Eindruck zum Viertelskommissar gesprochen – nun, ich will dem Manne nichts nachreden, er ist gewiß ein ausgezeichneter Staatsdiener – aber, aber wenn man sich nur verständigen will, wird man verstanden.«
    »
Le père tout craché.
Aber gehen Sie mir mit Ihrer Poesie, ich habe mit der Sache nichts zu thun.«
    »Sie lieben die Realitäten. Ich lebe nur in den Ideen, konstruire mir meine Welt selbst. Wenn ich solch ein Haus betrachte und die Wirthschaft drin, werde ich unwillkürlich an unsern Staat erinnert.«
    »Hüten Sie sich, aus einem
mauvais plaisant
zu einem Kalumnianten zu werden.«
    »Kennen Sie den Dichter Dante?«
    »Bleiben Sie mir mit den Poeten vom Halse, sage ich Ihnen, sie müssten denn so allerliebste französische Verse machen, wie Ihr Herr Vater.«
    »Dante hat nur italienische Chansons gedichtet. Aber eins dieser wunderhübschen Lieder sollten Sie kennen, die Melodie ist reizend. Es fängt an:
     
    Ah tutta l'Italia è un gran bordello!
     
    Da denk' ich immer an Sie, an alle Ihre Freunde, an dies ganze bezaubernde Freundschafts-Liebes-Sippschaftswesen! Angestoßen, Kammerherr,« schrie er auf, »auf die große lustige Wirthschaft, wo Einer den Andern betrügt, eine Hand die andere wäscht. Angestoßen auf den Kleister und Firniß, der die Fäulniß zusammenhält bis – angestoßen!«
    Der Zitternde stieß mit dem Glas gegen die Flasche, die Bovillard auf einen Zug leerte und dann in den Kamin schleuderte, wo sie in tausend Stücke zerbrach. »Bis dahin! Nicht wahr, – zu Wasser, bis er bricht, darin sind wir einverstanden, wie es für vernünftige und gesetzte Leute sich schickt.«
    Er war aufgestanden und klopfte auf die Hand des Kammerherrn, die er mit dem andern Arm an seine Brust hielt: »Ja, mein theuerster Herr von St. Real, wenn alle so verständig und gesetzt wären, wie wir Beide! Diese Tagesfliegen schwärmen ums Licht, und wenn Einer sich verbrennt, lacht der Andere vergnügt, daß es ihn traf. Wir aber sehen die Nacht, wir sehen, was hinter uns liegt, und sehen, was vor uns kommt.
A propos,
was halten Sie denn von Napoleon?«
    »Sie belieben zu scherzen. Ein großes Genie! Machen Sie, daß wir fortkommen.«
    »Wie er aus Aegypten. Wissen Sie wie? – Er hat sich dem Teufel verschrieben; in einer Pyramide war's, eine Nacht wie diese! Ja, ich habe auch meine diplomatischen Mittheilungen. Der Teufel hat ihm die ganze Welt versprochen, und weiter nichts dafür gefordert, als seine Seele. Kammerherr denken Sie, wenn Sie für

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