Ruhe Sanft
anderer Personen benutzt worden waren. Sie fragte sich, wie lange O’Melvany brauchen würde, um herzukommen, wieviel Zeit vergangen war, seit sie ihn gesprochen hatte.
Saskia kam herein und schaltete das Licht an, und Wetzon lehnte sich zurück, während Saskia die letzte Maske entfernte und ihr Gesicht wieder reinigte. Nach dem letzten Schritt, der Feuchtigkeitscreme, löste Saskia den Turban und warf ihn weg. Sie reichte Wetzon einen großen Spiegel. »Schön, nein?«
»Ja, danke.« Schön, ja. Sie fühlte sich nach einer kosmetischen Behandlung immer schön.
»Ich lasse das hier.« Saskia überreichte Wetzon eine Rechnung und verließ das Zimmer, indem sie diskret die Tür hinter sich schloß.
Wetzon zog sich rasch an, löste ihr Haar, kämmte es und rollte es wieder zu dem ordentlichen Knoten zusammen. Sie betrachtete sich eingehend im Spiegel und malte den Mund mit Lippenstift an. Sie nahm Mantel und Tasche und trat auf den Flur hinaus, wo sie an einer älteren Frau in einem rosa Bademantel vorbeikam, die ihre Hände von sich streckte und die Finger steif spreizte, um die Maniküre nicht zu verschmieren. Sie wurde in das von Smith frei gemachte Zimmer geführt. Wetzon schlenderte unbefangen in die dem Münztelefon entgegengesetzte Richtung, um Smith zu suchen, hielt aber Augen und Ohren offen.
Smith’ Lachen ertönte, und Wetzon ging ihm nach, bis sie in einen anderen offenen Raum ähnlich der Küche kam. In diesem stand ein halbes Dutzend hohe Hocker vor einer langen Reihe von Make-up-Spiegeln und Tischen. Das Licht war weich und indirekt. Ein schlanker junger Mann, dessen linkes Ohr mit einem Rubinknopf und einem winzigen Ring geschmückt war, machte Smith’ Augen-Make-up. Sie schien sich zu amüsieren. War dies etwa eine neue, weniger kritische Smith?
»Sie sehen einfach hinreißend aus, Ms. Smith«, schwärmte er, wobei er Wetzon kokett zuzwinkerte.
Smith lächelte sich selbst verführerisch im Spiegel an. »Ja, nicht wahr, Jeffrey?«
»Vorher natürlich auch, aber Sie sollten wirklich Smaragdgrün für die Lider nehmen. Was für eine Wirkung. Mit diesen unglaublichen Augen...«
Pfui Teufel, dachte Wetzon. Diese Selbstbeweihräucherung war mehr, als sie im Moment ertragen konnte, und sie hatte bestimmt nicht vor, hier herumzustehen und sich das alles anzuhören. »Wir treffen uns vorn, Smith.« Sie sah, daß Smith’ und Jeffreys Blicke sich im Spiegel begegneten. Ein privater Scherz, ein gemeinsames Geheimnis, ein »Hab-ich-es-nicht gesagt«-Blick.
Eine hagere Chinesin in einem roten Adolfo-Kostüm mit schwarzen Borten saß an der Kasse. »Sind Sie zum erstenmal hier, Ms. Wetzon?«
»Ja.« Wetzon legte die Rechnung und ihre American-Expresskarte auf den rosa Tisch.
»Dann hoffen wir, daß Sie zufrieden sind und uns bald wieder aufsuchen.« Sie überreichte Wetzon eine kleine grau-rosa Einkaufstüte und gab ihr den Belegzettel zum Unterschreiben. »Einige Gratisproben von den Produkten, die wir verwenden.«
Wetzon ging in den Empfangsraum zurück und setzte sich auf das Sofa neben eine kleine Frau mit rundem Gesicht und kurzem weißem Haar, die ihr irgendwie bekannt vorkam. Sie blätterte durch eine Nummer von Town & Country. In der kleinen Tüte waren in Seidenpapier gepackte kleine Tuben und Töpfchen, ein Lippenstift und Lidschatten. Wetzon freute sich. Sie begeisterte sich für Kosmetikaproben. Sie rollte die Tüte mit den Proben zu und steckte sie in ihre Einkaufstasche. Lois-Jane Lane war am Telefon und buchte einen Termin um.
»Haben Sie das hier gekauft?« fragte die Frau neben Wetzon mit einer herzlichen heiseren Stimme. Sie sah ein wenig wie Maureen Stapleton aus.
»Das sind Gratisproben.«
»Wie schön, ich liebe solche Kleinigkeiten.«
Wetzon bemerkte Margot erst, als sie vor ihnen stand. »Ms. Stapleton?«
»Ja. Danke. War nett, sich mit Ihnen zu unterhalten.«
Die weißhaarige Frau ging hinter Margot die Treppe hinauf, als sich die Aufzugstüren öffneten und O’Melvany ausstieg. Er schnickte eine brennende Zigarette aus der gewölbten Hand, führte sie an die Lippen und atmete tief ein. Er trug denselben dunkelbraunen Anzug und Pullover wie damals, als Wetzon ihn zum erstenmal gesehen hatte. Und er hatte keinen Mantel an.
Wetzon stand auf und ging ihm entgegen. »Wie geht es Ihrem Rücken?«
»Besser.« Er rieb seinen Rücken und dann seinen orangegelben Schnauzbart. Er fügte widerwillig hinzu: »Ihre Freundin ist sehr tüchtig gewesen.« Er schritt durch den Vorraum
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