Ruhe Sanft
steuerte sie in das Zimmer zurück, wartete, bis sie sich auf den Stuhl gelegt hatte, und deckte sie dann mit der Steppdecke zu. »Ich schicke Saskia. Müssen geduldiger sein.« Die Frau lächelte entschieden unfreundlich und schloß die Tür hinter sich.
Wetzon lag unruhig auf dem Stuhl, bis sie sicher war, daß die Frau gegangen war. Konnte sie den Bruchteil der Unterhaltung geträumt haben? Sie warf die Steppdecke wieder ab, stand auf und schüttelte ein paar Münzen aus ihrer Brieftasche. Sie war sicher, daß sie die Stimme einer der Frauen, die möglicherweise in der Küche gewesen waren, erkannt hatte, die Stimme der Frau, die geweint hatte. Es war Ida.
Wetzon stand am Ende des grau und pink gestreiften Korridors vor einem weißen Münztelefon, das frei an der Wand befestigt war, und hämmerte Silvestris direkte Nummer beim 17. Revier ein. Das Telefon läutete ungefähr zwanzigmal. Endlich unterbrach ein Klicken das Rufzeichen, und das Läuten ging als Summen weiter. Eine Frauenstimme: »Rodriguez.« Die Stimme war undeutlich; Rodriguez aß ihren Lunch.
Wetzon konnte Gelächter im Hintergrund hören. »Ich suche Sergeant Silvestri.«
»Nicht hier.«
»Und Metzger?«
»Nicht hier.«
Verdammt. »Haben Sie gesagt, wann sie zurück sind?«
»Nein«, sagte Rodriguez durch Schluckgeräusche. »Kann ich was für Sie tun?« Sie hörte sich gelangweilt an.
»Ich glaube nicht. Richten Sie Ihnen aus, daß Ms. Wetzon angerufen hat.« Sie wollte gerade auflegen, als ihr etwas einfiel. »Hallo?«
»Ja?« Rodriguez’ Stimme war wieder gedämpft. Sie kaute wieder.
»Können Sie mir die Nummer der Kripo beim 19. Revier geben?«
Wetzon hängte rasch ein, indem sie die Nummer im Kopf ständig wiederholte, steckte einen Vierteldollar in den Schlitz und tippte die Zahlen ein, während sie von einem Fuß auf den anderen hüpfte und auf das Läuten lauschte.
»Galvin.«
»Sergeant O’Melvany bitte.« Über die Schulter sah sie Saskia um die Ecke in die Halle kommen und abrupt stehenbleiben, als sie Wetzon am Telefon entdeckte. »Ich bin sofort bei Ihnen, Saskia«, rief sie eilig und hob die Hand hoch, damit sie blieb, wo sie war.
»O’Melvany.«
Gott sei Dank. »Sergeant, hier spricht Leslie Wetzon. Erinnern Sie sich an mich?«
»Ja, sicher. Tja, ich habe Ihnen nichts mitzuteilen — die Sache liegt jetzt bei einem anderen Revier.«
»Ich weiß. Aber ich habe Ihnen etwas zu sagen.«
»Ja?« Er war höflich, aber zweifelnd. Wahrscheinlich ein Chauvi, wie er im Buche steht, dachte sie.
»Ich bin in einem Salon in der Galerie an der East 57. Street, der >Katerina von Ungarn< heißt. Ich glaube, Ida Tormenkov ist hier oder ist vielleicht gerade hier gewesen. Ich habe sie gehört. Können Sie kommen und mich gleich hier treffen?«
»Ich habe zu tun, Ms. Wetzon.« Sie konnte aus seiner Stimme heraushören, daß er sie für einen schrecklichen Quälgeist hielt.
»Bitte, Sergeant. Prüfen Sie es wenigstens nach.«
»Liebe Frau, Sie möchten, daß ich hier alles liegen- und stehenlasse und dorthin komme, weil Sie etwas glauben?«
»Tun Sie mir den Gefallen. Ich bin nicht verrückt. Silvestri...«
»Wie lange sind Sie noch dort?« Er war sauer.
»Ich bin mitten in einer Gesichtsbehandlung, also mindestens noch eine Dreiviertelstunde.«
Saskia lächelte mit aufgesetzter Sorge, klopfte aber nervös mit der Fußspitze, während Wetzon den Gürtel des Bademantels, der sich gelöst hatte, festband und durch die Halle auf sie zuschlenderte. »Ts, ts, ts, ganze gute Wirkung von Hitze umsonst.« Sie half Wetzon wieder auf den Stuhl. »Aber ich sehe, was ich tun kann.« Sie befeuchtete die Augenkompresse und legte sie auf, dann setzte sie die Hautbehandlung fort. »Schöne Haut. So ein Glück. Keine Mitesser. Sehr empfindlich, nein?« Sie verteilte eine dicke klebrige Mixtur auf Wetzons Gesicht und packte sie dann in eine eiskalte Maske aus feuchtem Kleenex ein. »Jetzt ruhen.« Saskia schaltete das Licht aus und verließ das Zimmer.
Wetzon wälzte sich ungeduldig hin und her und versuchte, eine bequeme Lage auf dem Stuhl zu finden. Ihr Rücken schmerzte. Ihre Gedanken waren aufgewühlt.
Jemand klopfte an die Tür. »Wetzon?« Die Tür ging auf.
»Smith?«
»Ich bin fertig. Ich gehe jetzt zum Make-up. Wir treffen uns dort.« Smith schloß die Tür, ohne auf Wetzons Antwort zu warten.
Wetzon hatte nicht vor, das Make-up von jemand anderem machen zu lassen und schon gar nicht mit Mascara und Mitteln, die für die Augen
Weitere Kostenlose Bücher