Ruhe Sanft
mit drei Männern in den Vierzigern in ABC-Sports -Sweatshirts, als wären es gute Bekannte. Der Barkeeper, ein bulliger Schlägertyp mit karibischer Sonnenbräune, trank ein Bier und lachte mit ihnen.
Bei dem großen vorderen Fenster, das auf den Broadway ging, saß ein älteres Paar und wickelte mit Hilfe des Löffels konzentriert Spaghetti auf. An der anderen Seite der Bar kreischten vier junge Frauen vor Lachen, während eine fünfte eine Geschichte erzählte. Außer diesen wenigen Gästen, der Wirtin und zwei Kellnern war der höhlenartige Raum leer.
Teddy winkte ihr zu, als sie den Schal vom Kopf wickelte und die Baskenmütze abzog. Seine Augen glänzten, und sie sah, daß er schon einiges getrunken hatte. »Das ist mein Mädchen«, sagte er so laut, daß sie es hören konnte, zu den ABC-Sports- Männern. Er legte ein paar Scheine auf die Theke und kam auf sie zu. Er war groß und auffallend und trug einen cremefarbenen Aranpullover über einem blaukarierten Hemd. Die helle Farbe des Pullovers lenkte die Aufmerksamkeit auf seine hohen Backenknochen, die große kräftige Nase mit dem schmalen Rücken, das eckige Kinn, das kurze gewellte schwarze Haar und die dunkelbraune Haut, die wie Mahagoni wirkte. In der entsprechenden Tracht hätte er als arabischer Prinz durchgehen können, was deshalb lustig war, weil Teddy Lanzman Jude war.
»Du bist eine Augenweide«, begrüßte er sie, »wenn du das Klischee verzeihst.« Er beugte sich vor und küßte sie leicht auf den Mund. »Doch, das bist du.« Er sah sie an, als könne er sehen, was sie für Silvestri empfand, und sie wurde rot. »Ich weiß nicht, muß am Wetter liegen oder am Licht hier drinnen, aber du bist vor meinen Augen gerade leuchtendrosa geworden.«
Sie setzten sich an einen Tisch in der Nähe der fünf Frauen, die sich nach Teddy umdrehten, als er vorbeiging, und ihn anstarrten. Er sah toll aus, und dazu war er jetzt eine lokale Berühmtheit. Wetzon hatte vergessen, wie es war, mit ihm zusammen zu sein.
»Also, wer ist der Mann?« fragte Teddy. Er bestellte zwei Heineken, als der Kellner einen Korb mit Backwaren auf den Tisch stellte. »Du trinkst doch noch Heineken?« erkundigte er sich nachträglich.
Sie nickte. »Woher weißt du, daß es einen Mann gibt?«
»Na hör mal, das sieht man doch. Ich hoffe, es ist kein Makler.«
»Nein.« Sie zog eine Salzstange aus dem Korb und brach sie in Stücke.
»Willst wohl nichts verraten?«
Sie schüttelte den Kopf. »Noch nicht. Ist noch zu neu.«
»Na ja, ich habe auch jemanden. Und ihr beide habt etwas miteinander gemeinsam.«
»Und das wäre?«
»Kein Wort, bevor du etwas erzählst.«
Sie bestellten Pasta mit sonnengereiften Tomaten und gebratenen Zucchini, und Wetzon dachte: Irgend etwas ist anders an ihm. Aber was?
Er starrte sie an. »Mein Gott, Wetzi, nichts ändert sich. Wir sehen uns nie, aber die Atmosphäre ist noch da. Wir können einfach weitermachen, wo wir aufgehört haben.«
»Stimmt. Genau das habe ich eben auch gedacht.« Sie strich Butter auf die Salzstangenstücke und steckte eines in den Mund. Es war knusprig, und das Salz zerging auf der Zunge. »Ich wollte dich nach diesem Dokumentarfilm fragen, den du über alte Menschen drehst.«
»Ja. Wirklich ein toller Stoff. Preisverdächtig. Macht mich richtig high.«
»Hast du selbst recherchiert?«
»Das meiste. Ich habe einen Assistenten, der einen kleinen Teil übernommen hat. Warum?«
»Ich weiß, was es ist«, sagte sie. »Du rauchst nicht.«
Er lachte und schlug auf die Tischdecke. »Was für ein Gedächtnis. Mein bestes Stück mag es nicht. Hörte vor zwei Monaten vom einen auf den anderen Tag auf.«
»Phantastisch«, sagte sie. »Gescheite Frau. Entschuldige die Abschweifung.« Sie erzählte ihm von Peepsie Cunningham und Ida.
»Du glaubst nicht, daß es Selbstmord war?« Seine Stimme wirkte laut. Er sah sich um. Ein Schwarzer in dunklem Dufflecoat kam ins Restaurant und setzte sich an die Bar.
Sie schüttelte den Kopf. Das Essen kam dampfend. »Peepsie hatte vor etwas Angst...«
»Hör zu, ich habe Leute mit Alzheimer gesehen. Ich habe mit ihnen gesprochen. Manche von ihnen sind fügsam, manche aggressiv, und manche haben Angst — richtig Angst. Sie wissen nicht, was ihnen geschieht.«
»Klar, das kann es gewesen sein, aber ich bin sicher, daß mehr dahintersteckte.«
»Okay.« Er drehte einige Fettucini auf die Gabel und aß sie. »Einfach himmlisch«, stellte er genießerisch fest.
»Sie hat — hatte —
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