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Ruhe Sanft

Ruhe Sanft

Titel: Ruhe Sanft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annette Meyers
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hielt sie in der Armbeuge.
    »Kommst du?« Er drehte sich um, blinzelte den Schnee von den Augen, und sie bombardierte ihn mit Schneebällen. Sie starrten einander eine Sekunde an, und sie schrie und rannte rutschend und gleitend die tückischen Straßen hinunter, wich Schneewehen und schneebedeckten Mülltonnen und zwei kleinen Schneemännern mit Schlitten aus. Sie lachte so sehr über sein erschrockenes Gesicht, als sie ihn mit den Schneebällen getroffen hatte, daß sie langsamer laufen mußte.
    Sie hatte es fast bis zur Ecke der Second Avenue geschafft, als er sie packte und zu Fall brachte. Sie rollten in eine Schneewehe.
    »Mich verspotten! Das kommt davon.« Er saß rittlings auf ihr und seifte sie ein, während sie sich wehrte.
    »Brauchen Sie Hilfe, junge Frau?« Ein älterer Mann in Tweedmantel, dickem braunem Schal und irischer Strickmütze stand über ihnen. Er stupste Silvestri mit seinem Spazierstock.
    »Oh, Sir, wie freundlich...« begann Wetzon.
    Silvestri kam mühsam auf die Beine und setzte einen Fuß auf Wetzons Bauch. Er zog seine Dienstmarke und seinen Ausweis heraus. »Sergeant Silvestri«, stellte er sich vor. »Siebzehntes Revier. Gerade eine Verdächtige festgenommen.«
    »Du meine Güte.« Der alte Mann schüttelte den Kopf. »Ts, ts, sie sieht so nett aus.« Er wich zurück.
    »Ja, nicht wahr? Heutzutage kann man nie wissen«, erwiderte Silvestri und drückte fester, als sie sich krümmte.
    »Silvestri, du Mistkerl, laß mich aufstehen. Glauben Sie ihm kein Wort, Sir.«
    Der alte Mann nickte Silvestri beifällig zu und taperte davon.
    »Los, aufgestanden, Übeltäterin.« Silvestri zog sie auf die Beine und schüttelte sich vor Lachen.
    »Du hältst dich wohl für komisch«, sagte sie, während sie versuchte, sich abzubürsten. »Es ist ausgesprochen demütigend, wie ihr Bullen mit unschuldigen Leuten umgeht.«
    »Laß gut sein«, sagte er immer noch lachend. »Ich muß zum Revier.«
    »Nein!«
    »Doch. Ich setze dich ab.«
    »Hast du gerade getan.« Ihr Fuß berührte Eis unter dem Schnee, und sie rutschte aus und klammerte sich an seinen Arm. In ihrem Kopf drehten sich schon die Rädchen. Sie würde Teddy Lanzman anrufen und...
    »Keine weiteren Theorien, richtig?« unterbrach Silvestri ihre Gedanken, als sie zu ihrem Apartmenthaus zurückfuhren.
    »Bitte?«
    »Über den Cunningham-Selbstmord.«
    Sie lächelte ihn strahlend an. »Ach so, das. Habe ich schon vergessen. Ich dachte gerade daran, Carlos zum Abendessen anzurufen.«
    Er sah sie an, und das Mißtrauen stand ihm ins Gesicht geschrieben.
    »Silvestri, sieh mich nicht so an. Wie kannst du an mj. Zweifel haben?« Sie beugte sich hinüber, gab ihm einen Kuß und stieg aus.
    Sie fragte sich, ob sie Teddy bewegen könnte, mit ihr nach Brighton Beach zu fahren.

Es dauerte eine Ewigkeit, bis man sich aus den Utensilien für Winter und Schnee in New York City geschält hatte. Die Stiefel, die wollenen Kniestrümpfe, die Stulpen, Mantel, Baskenmütze, dicker Schal, extrafülliger Pullover, flauschig gefütterte Trainingssachen. Es nahm kein Ende. Allmählich kam der kleine geschmeidige Körper der Tänzerin zum Vorschein. Unter allem trug sie ein Trikot in ihrer Lieblingsfarbe: violett.
    Sie fröstelte. Die Wohnung war kalt. Sie zog die Stulpen wieder an und hüpfte ins Eßzimmer. Einen Teil des Raums hatte sie zum Trainingsbereich gemacht, als sie damals in die Wohnung eingezogen war. Sie zog das Handtuch von der Barre, rollte es zusammen und hängte es um den Hals. Sie hatte sich darauf gefreut. Es fiel ihr leichter zu denken, wenn sie ihre Übungen absolvierte. Sie konnte ihren Geist in zwei Teile trennen. Die gespannte Konzentration auf ihre Übungen und auf das andere, was immer sie beunruhigte. Im Augenblick war es der Mord an Peepsie Cunningham, der sie beunruhigte.
    Diese arme alte Frau hatte nicht Selbstmord begangen.
    Ida mußte der Schlüssel sein.
    Sie legte eine Chopin-Etüde in das Tapedeck. kleine Lämpchen am Anrufbeantworter blinkte. Verdammt. Sie drückte auf Rücklauf. Das Band lief und lief. Entweder eine lange Nachricht oder mehrere kurze
    Piep. »Wo steckst du? Ich muß mit dir reden.« Es war Smith. Ihre Stimme war gereizt. Wetzon seufzte.
    Piep. »Stell dir vor, Tänzerin. Bin überhaupt nicht weggekommen. Brauchte fünf Stunden, bis ich gestern abend wieder in der Stadt war.« Teddy Lanzmans Stimme klang rauh. »Wie wäre es mit Essen heute abend statt morgen?« Er nieste. »Wenn ich dann noch lebe.« Er gab seine

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