Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ruhe Sanft

Ruhe Sanft

Titel: Ruhe Sanft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annette Meyers
Vom Netzwerk:
schlug die Schneedecke zurück.
    Wetzons Füße waren so kalt. Sie sah, daß sie ihr violettes Trikot und blaue Gucci-Schuhe an nackten Füßen trug. Sie zitterte unkontrollierbar.
    »Nanu, was ist denn hier los?« sagte Leon, indem er vom Schlitten stieg. »Das können wir nicht dulden. Sie müssen vorsichtiger fahren, Mann.« Er schnalzte mit den Fingern, und Silvestri erschien, aufgemacht wie ein Keystone Kop. »Nehmen Sie diesen Mann auf der Stelle wegen rücksichtsloser Fahrweise fest.« Leon zeigte auf John Grossman.
    »Silvestri, du siehst lächerlich aus«, sagte Wetzon. »Wofür hast du dich so herausgeputzt?«
    »Für deinen Traum«, sagte er ironisch, als er John Grossman in Ketten fortzerrte.
    »Ich weiß nicht, wie du immer wieder in solche Schwierigkeiten kommst, Wetzon«, rief Smith vom Schlitten her. Sie trug einen pelzverbrämten Samtumhang, wie Anna Karenina. »Leon, kümmere dich sofort darum.«
    »Bring nur das hier in Ordnung«, rief Wetzon wütend aus der Schneeverwehung. »Ich erfriere.«
    Leon schnalzte noch einmal mit den Fingern, und Teddy Lanzman — nein, es war nicht Teddy Lanzman, es War der Schwarze im Parka von der Bar bei Ernie’s — warf eine riesige Pelzreisedecke über Wetzons Kopf, hob sie mit dem Griff eines Feuerwehrmanns hoch und warf sie über seine Schulter.
    Sie konnte nicht atmen, sie verlor einen Schuh.
    Leon sagte: »Sorge dafür, daß sie ihre Nase nicht in Sachen steckt, die sie nichts angehen.«
    Sie glaubte zu ersticken. Sie kämpfte mit der Pelzhülle. Sie kämpfte mit den Decken. Schlittenglocken klingelten und klingelten.
    Ich träume, dachte sie und versuchte, die panische Angst abzuschütteln. Das wollte Silvestri mir sagen. Sie hörte auf, sich zu wehren.
    Schlittenglocken klingelten.
    Ich werde aufwachen, dachte sie.
    Das Telefon läutete.
    Das Telefon läutete. Sie mußte vergessen haben, den Anrufbeantworter wieder einzustellen, nachdem sie am Abend vorher die Nachrichten abgehört hatte. Sie griff nach dem Hörer und brachte ein gedämpftes Hallo heraus. Das Freizeichen. Wer immer es gewesen war, hatte aufgelegt.
    Ihre Uhr zeigte auf neun. Spät für sie. Was für ein gräßlicher Traum.
    Es war eisig kalt in ihrer Wohnung. Sie streckte sich unter der Steppdecke, bewegte die Zehen. Sie hätte gern gewußt, ob es aufgehört hatte zu schneien, setzte sich auf und zog den Frotteebademantel über. Der Heizkörper im Schlafzimmer begann zu stottern. Im Zimmer hing der eigenartige Geruch nach Heizungswärme gleich nach dem Einschalten, wenn sie im kalten Heizkörper hochsteigt.
    Als sie die Jalousien öffnete, schien draußen die Sonne. Der Blizzard war vorbei. Die Dächer der Sandsteinhäuser unter ihr waren hoch mit reinem weißem Schnee bedeckt, der das Sonnenlicht zurückwarf wie Tausende von Diamantsplittern. Ein Stadtbus kroch die Columbus Avenue hinunter. Schneepflüge waren zu hören. Schaufeln kratzten auf Bürgersteigen. Endlich Stimmen.
    Ihr Telefon läutete.
    Sie ließ die Jalousien geöffnet und setzte sich aufs Bett, utn den Anruf entgegenzunehmen. »Hallo.«
    »Tag«, sagte Silvestri. »Wo hast du wohl die letzte Nacht verbracht?«
    »Was willst du damit sagen, wo ich wohl die letzte Nacht verbracht habe?« Sie war empört. »Genau hier. Was glaubst du, wo ich die Nacht verbracht habe? Wo hast du die letzte Nacht verbracht? Möchtest du zurückrufen und noch mal von vorn anfangen?«
    »Mh, hm.« Er hörte sich verlegen an. »Das habe ich wohl verdient.«
    »Allerdings. Wenn du nicht so ungeduldig gewesen wärst und es noch einige Male hättest läuten lassen, wäre ich rangegangen.«
    »Guten Morgen, Les.« Warum hatte sie immer das Gefühl, er mache sich über sie lustig? Selbst dieser schöne kleine Anfall von Eifersucht hatte einen ironischen Unterton.
    »Guten Morgen, Silvestri«, sagte sie düster. »Wo bist du?«
    »Manhattan North. Mord.«
    »Sexy.« Sie krümmte ihre nackten Zehen.
    »Meinst du?«
    Sie hörte an seinem Ton, daß er verwirrt war. »Entschuldige. >Sexy< bedeutet auf Finanzchinesisch >faszinierend kompliziert<.«
    »Kann ein sexy Geschäft die richtige Sache ersetzen?«
    »Ich weiß nicht. Daran habe ich nie gedacht. Kann schon sein.« Sie fragte sich, ob man einen Orgasmus von einer besonders aufregenden Transaktion bekommen konnte. Na ja, möglich war es sicher. War Wall Street eine orgasmusfördernde Umgebung? O ja. Sie räusperte sich. »Und ist es das?«
    »Ist es ein faszinierend komplizierter Fall?«
    »Allerdings.

Weitere Kostenlose Bücher